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2. „Education for Victory“
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Lediglich hinsichtlich der Frage , wie diese Aufgabe einer „Educational Reconstruction“
nach Kriegsende konkret umgesetzt werden sollte , liefen die Meinungen mitunter ausei-
nander , wenn auch zu konstatieren ist , dass die amerikanischen „Erzieher“ – ähnlich wie
die sozialpsychologischen Experimentatoren und Theoretiker – grosso modo eine nicht-
punitive , weiche Linie vertraten , wonach der Demokratisierungseffekt durch begleitende
Überzeugungsarbeit „from within“, in letzter Konsequenz also im Wesentlichen durch
„Selbsterziehung“634 eintreten sollte.
Interessant an dieser Stelle ist , dass die Präferenz für einen weichen , primär unter-
stützenden Ansatz der „Educational Reconstruction“ auch auf Ebene des U.S. Office for
Education fortgesetzt wurde. Dessen „Educational Policies Commission“ beabsichtigte –
im Unterschied zur britischen „Joint Commission of the London International Assem-
bly and Council for Education in World Citizenship“,635 die die „Re-education in the
Enemy Countries“ unter die strenge Kontrolle eines eigenen „High Commissioner for
Education“636 im Auftrag der „United Nations“ stellen wollte
–, die Verantwortung für den
yet on a small scale. But groups of resistance exist in the youth service camps and at the universities , as
was mentioned in a broadcast of the Station ‚Oesterreich‘ , the illegal broadcasting station of the Austrian
Freedom Front. Austrian youth has also had a number of its best representatives , such as the student Chri-
stoph Probst , the Catholic Margarete Jost , and the young communists Hedi Urach and Rosa Hoffmann ,
executed by the Germans.“ Youth in Austria. Six Years of Occupation. In : The Times Educational Supple-
ment , No. 1506 , 1944 , 124.
634 „Re-education must be self-education“ heißt es diesbezüglich auch in dem unter britischer Führung he-
rausgegebenen Report : Education and the United Nations. The Report of A Joint Commission of the
London International Assembly and Council for Education in World Citizenship , London , March 1943 ,
33. Und Grayson N. Kefauver , Dekan der Stanford University , meinte anlässlich einer Sitzung des Gene-
ral Advisory Committees for Post-War Foreign Policy im U. S. State Department , dass „the readjustment
of education in those countries is [ to be ] worked out by the peoples themselves with the assistance of a
group we and the other United Nations might select to formulate the operating policy.“ Zit. nach : Tent ,
Mission on the Rhine , a. a. O., 19.
635 Ende 1941 hatte die „London International Assembly“ und das „Council for Education in World Citizen-
ship“ eine „Joint Commission“ eingerichtet [ insgesamt 65 Personen plus zusätzliche Beobachter ] , die da-
mit beauftragt wurde , „to consider and report upon the Place of Education , Science and Learning in Post-
War Reconstruction“. Präsident der Joint Commission war der Graezist Gilbert Murray ( 1866–1955 ),
von 1923–1938 Vorsitzender des Völkerbundes und nach 1946 erster Präsident des „general council of
the United Nations Association“; Murray war zudem Präsident des „International Committee on Intelle-
ctual Co-operation“. Die Mitglieder der Joint Commission wurden von der September 1941 gegründeten
„London International Assembly“ – Vize-Präsident war u. a. Jan Masaryk ( 1886–1948 ), der Sohn von
Tomáš Garrigue Masaryk – als inoffizieller Versammlung nominiert und setzten sich aus Repräsentanten
„from all the United Nations“ zusammen , nämlich : Belgien , China , Tschechoslovakei , „Fighting France“,
Großbritannien , Griechenland , Niederlande , Indien , Norwegen , Polen , USA und Jugoslawien ; darunter
mehrere Mitglieder alliierter Regierungen , Unterrichtsminister , sowie als Beobachter , Repräsentanten
der UdSSR. Siehe : Education and the United Nations , a. a. O., 3 f. ; Jean Smith / Arnold Toynbee ( Eds. ),
Gilbert Murray. An Unfinished Autobiography. With Contributions by his Friends , London 1960.
636 Education and the United Nations , a. a. O., 25.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741