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4. „The democratic way of life in Austria“
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Nach der Genehmigung der Provisorischen Staatsregierung Renner durch die Sowjetar-
mee wurde die Wahl am 2. Mai 1945 vom zuständigen Staatssekretär für Unterricht , Ernst
Fischer , jedenfalls per Erlass genehmigt und damit eine Weichenstellung vorgenommen ,
die auch später von den zuständigen US-Militärorganen kein einziges Mal in Frage gestellt
wurde.1483 Noch während der laufenden Schutt- und Räumungsarbeiten konnte der Stu-
dienbetrieb , nach Genehmigung des Oberkommandos der Sowjetarmee am 29. Mai 1945 ,
an der Universität Wien als erster Unterrichtsanstalt in Österreich wieder aufgenommen
werden.
Noch schwieriger als der „beklagenswerte bauliche Zustand“ und der Mangel an Heiz-
material in den Wintermonaten1484 gestaltete sich , so Rektor Adamovich im Rückblick ,
die „personelle Seite des Betriebes“. Nachdem eine große Zahl der Mitglieder des Lehr-
körpers für untragbar erklärt worden war , stand eine „Reihe wichtiger Lehrkanzeln mit
einem Schlag vakant , geeignete Nachfolger waren nur zum geringen Teil zu finden.“ Und
das , obwohl – wie Adamovich weiter ausführte – an zahlreiche ehemalige Lehrkräfte der
Wiener Universität „die vom nationalsozialistischen Regime zur Emigration gezwungen
wurden [ … ] zu wiederholten Malen die Einladung gerichtet“ wurde , „zu ihrem Lehramt
nach Wien zurückzukehren.“1485 Eine Darstellung , die , wie sich noch zeigen wird , an der
Realität freilich gänzlich vorbeiging.
Tatsächlich wurde die politische Überprüfung des Lehrkörpers und der Studierenden ( da-
zu später ) bis zur Einsetzung der Sonderkommissionen im August 1945 in Eigenregie vom
Rektor , in Zusammenarbeit mit den Dekanaten der Universität , selbst vorgenommen. Mit
der Etablierung der manchmal auch „Ehrenkommissionen“ genannten Überprüfungsgremi-
en wurde die Entnazifizierung beziehungsweise die Feststellung der politischen Tragbarkeit
der Universitätslehrer drei Senaten übertragen : „Senat I“1486 war zuständig für die Assisten-
ten und wissenschaftlichen Hilfskräfte der medizinischen Fakultät , „Senat II“1487 für das
1483 Recordings of the U. S. Department of State relating to the Internal Affairs of Austria 1945–1954 , Major
Leigh M. Lott , Report of First Visit to the University of Vienna , a. a. O., 6. Vgl. UAW , Rektoratsakten ,
Akademischer Senat , 455–1944 / 45 , Gedächtnisprotokoll a. a. O., 2 f.
1484 So sah sich der Rektor bzw. der Akademische Senat im Winter 1945 – nachdem alle Versuche , Heizma-
terial aufzutreiben , gescheitert waren –, gezwungen , den Studienbetrieb einzustellen. UAW , Rektorats-
akten , Akademischer Senat 1945 , G / 80–45 / 46 , Kundmachung , 4. Dezember 1945.
1485 Ebd., 17 f.
1486 Vorsitzender des „Senats I“ war Prof. Rudolf Köstler , Beisitzer : Prof. Karl David Lindner ; Ersatzmänner
waren : Prof. Hermann Chiari und Prof. Heinrich Kahr ; 2. Beisitzer ( gewählt von der Gewerkschaft der
Öffentlich Bediensteten ) war : Ass. Paul Grüneis , Ersatzmänner : Ass. Adolf Kronfeld , Ass. Hans Langer ,
Ass. Fritz Driak , wiss. Hilfskraft Franz Matschnig. ÖSTA / AdR , Bestand 02 , BMfU , 2C1 – Diszipli-
narkammern , Sonderkommissionen , 1945–1958 , Ktn. 378 , Z. 6721 / 45 , Sonderkommissionen an den
Hochschulen , 10. September 1945 , 2.
1487 Vorsitzender des „Senats II“ war Prof. Wilhelm Winkler , Beisitzer : Prof. Hans Leitmeier ; Ersatzmänner
waren : Prof. Franz Faltis , Prof. Josef Keil und Prof. Hans Schima ; 2. Beisitzer ( gewählt von der Gewerk-
schaft d. Öffentlich Bediensteten ) war : Ass. Otto Brunner , Ersatzmänner : Ass. Walther Schienerl , Ass.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741