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4. „The democratic way of life in Austria“
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mit „einem auf dieser Liste angeführten Lehrer in Verbindung zu setzen zwecks eventu-
eller Berufung“.1561 Bis Mitte 1947 waren es letztlich auch nur vier Professoren sowie eine
Dozentin , die aus der Emigration zurückkehrten.
Auch von amerikanischer Seite wurde dem Unterrichtsministerium und der Universi-
tät Wien eine – noch umfangreichere – Liste emigrierter Wissenschafter ausgehändigt.
Im Mai 1946 übergab der Leiter der US-Education Division in Wien , Oberst William B.
Featherstone , Rektor Adamovich eine Liste mit 370 Namen und Adressen ( zum Großteil
vertriebener ) österreichischer Gelehrter für die Medizinische und Philosophische Fa-
kultät , die jetzt in den USA lebten und , organisiert in der „Austrian University League
of America“,1562 an einer Rückkehr in ihre Heimat interessiert wären ; darunter befanden
sich auch die Namen von 39 Frauen.1563 Hinsichtlich ihrer ideologischen Provenienz
waren die hier versammelten österreichischen Exil-Wissenschafter tendenziell eher dem
katholisch-konservativen Milieu zuzurechnen. Besonderes Interesse verdient dabei , dass ,
neben dem Nobelpreisträger und League-Präsidenten Victor F. Hess , der Chef der US-
Education Division höchstpersönlich Vizepräsident der „League“ war und die erstellte
Liste – so bleibt zu vermuten – wohl mit entsprechendem Nachdruck weitergegeben ha-
ben wird.1564
Dieser Liste , die vorwiegend jüngere , im US-Exil noch nicht etablierte Lehrkräf-
te umfasste , folgte ein bereits im Juli 1945 verfasstes , 16-seitiges „Memorandum on the
Reconstruction of Austrian Universities“, das unter anderen an den Bundespräsidenten ,
den Bundeskanzler und den Unterrichtsminister gesandt wurde. Neben Vorschlägen zum
Wiederaufbau des Universitätswesens , die hauptsächlich in gründlichen personalen Säu-
berungsmaßnahmen und in der Aberkennung in der NS-Zeit erworbener akademischer
Grade bestanden , jedoch keinerlei Angaben zu strukturellen Veränderungen enthielten ,
1561 UAW , Dekanatsakten der Phil. Fakultät , 628–1945 / 46 , Allied Commission for Austria ( British Ele-
ment ), 14. Jänner 1946.
1562 Erster Präsident der „League“ war der Pharmakologe Ernest P. Pick , die beiden Vizepräsidenten waren
der Nobelpreisträger für Physik , Victor F. Hess , sowie William B. Featherstone der Leiter der USFA-
Education Division. Angehörige des Direktoriums der „League“ waren Robert Heine-Geldern , Fritz
Lieben , die Religionswissenschafter Karl Beth und Thomas A. Michels , der Mathematiker Alfred E.
Basch , die Mediziner Ludwig Adler , William V. Berger , Bela Schick und Hans Mauthner , der Chemiker
Hermann Mark sowie die Juristen Eric[ h ] C. Hula , Robert Langer , Georg( e ) Petschek , weiters Herbert
Elias , der Physiker Felix Ehrenhaft , Charles Smith und , als Generalsekretärin der „League“, die Histo-
login Clara Zawitsch-Ossenitz ; letztere wurde nach 1945 wieder an die Universität Wien berufen , war
aber vom NS-Regime aus nicht-rassistischen Gründen entfernt worden , und stammte „aus dem adeligen ,
katholisch-konservativen Umfeld“. Ilse Korotin , „Keine Rückkehr der weiblichen Vernunft nach dem
Nazi-Regime“. In : Der Standard , 15. Juni 2005 ; weiters : ÖSTA / AdR , Bestand 02 , BmfU , GZ 26742 / 46
bzw. GZ. 36270 / 48.
1563 Siehe : Ilse Korotin , Wissenschaftlerinnen und Remigration – die „Austrian University League of Ame-
rica“. In : IWK-Mitteilungen , 1–2 , 2005 , 7.
1564 ÖSTA / AdR , Bestand 02 , BmfU , GZ 26742 / 46 bzw. GZ. 36270 / 48.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741