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4. „The democratic way of life in Austria“
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wusste oder zumindest hätte vermuten können , immerhin tauchte diese Frage bereits An-
fang der Fünfzigerjahre auch in der Öffentlichkeit zum ersten Mal auf.1785
In einem vertraulichen und amikal gehaltenen Schreiben wandte sich Samuel H. Wil-
liams
š aus „rein akademischen Interesse“
š an Sektionschef Skrbensky :
“A few years back I had the opportunity to examine a magnificent anatomical work by Eduard
Pernkopf , who was formerly a professor in the University of Vienna. The titel of the work was
“Topographische Anatomie des Menschen“, the first two bands of which are in my library at
home. Upon inquiry here concerning the third band I learned that Prof. Pernkopf was banned
from University and that he is not permitted to do the necessary research for the preparation
of the third band. While I am thoroughly aware of the impossibility of Prof. Pernkopf working
at University , I am unfamiliar with the prohibition against his working in private libraries , in
order to complete what I consider an outstanding textbook of anatomy.
This letter is not suggesting that any existing barriers to further anatomical studies by Prof. Pernkopf
be broken down. Certainly the matter lies entirely within the province of the Austrian Govern-
ment and possibly within the Ministry of Educations’ responsibilities. If and when you can find
time from your already overburden schedule to clarify my interpretation I should certainly ap-
preciate discussing the matter with you at luncheon on any day which you could find conveni-
ent to be my guest at the Bristol. I am sure that all of my contacts with the Ministry up to the
present time indicate my confidence in the Education Ministry of Austria and that they reflect
our position of noninterference. [ … ] I trust that you are exercising the discretion necessary [ … ] ”.1786
[ Hervorhebungen d. Verf. ]
Die hier zur Sprache gebrachte „nichtinterferierende Position“ der US-Education Division ten-
dierte also eher zu sachlicher Kooperation in vergleichsweise unver
fänglichen Bereichen als zu
inhaltlicher Konfrontation. Neben materiellen Unter
stützungs
leistungen ( Bücherspenden1787
Dokumentationsarchiv des öster reichischen Wider standes. Jahrbuch 1999 ( Red. Siegwald Ganglmair ),
Wien 1999 , 51.
1785 Der Montag vom 31. März 1952. Interessanterweise brach die Debatte über den politischen Hinter grund
des lange Zeit weithin als Standardwerk der Anatomie geschätzten Atlas dann Ende der 1980er-Jahre
just in der medizinischen Öffentlichkeit der USA los , die schließlich zu einer eingehenden historische
Untersuchung führte. Vgl. Malina , Eduard Pernkopfs Anatomie , a. a. O., 937.
1786 NARA II , RG 260 , EDU , Box 1 / Fo 3 , Samuel H. Williams , Chief Education Division USFA / USACA ,
an Sektionschef Otto Skrbensky , 19. Februar 1948 1 f.
1787 So bedankte sich bspw. der Präsident des Wiener Stadtschulrates , Leopold Zechner , im Juni 1947 per-
sönlich bei Thomas E. Benner für die „Spende einer Kollektion amerikanischer Schulbücher , die Sie dem
Wiener Stadtschulrat zur Verfügung gestellt haben.“ In einer kurzen Dankesrede hatte sich der Stadt-
schulratspräsident bei Benner vor allem für dessen „großmütige Spende“ von Schulbüchern für die Jugend
und „Lehrerschaft aller Grade“ bedankt š ein „bedeutender und wertvoller Beitrag dazu , die Klüfte in
Wissen und Gewissen auszufüllen , die eine langjährige Absperrung von der Welt hervor gerufen hat“. „Aus
Trümmern aufbauen ist uns allen als Aufgabe gesetzt und da wir durch geistige Entartung in solche Not
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741