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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
rungspflichtig und derzeit vom Wiener Schuldienst enthoben sind. Diese Lehrpersonen – es
soll sich vorwiegend um jüngere handeln
– sollen sogar von den amtlichen Arbeitseinsatzstellen
ausdrücklich von anderen Arbeiten befreit und zum Hochschulstudium freigegeben worden sein.
Wenn die Mitteilungen den Tatsachen entsprechen , so würde sich der groteske Fall ergeben ,
dass solche Lehrpersonen , welche , trotzdem sie für den Staat nichts leisten , seit fast einem
Jahr und bis auf weiteres aus öffentlichen Mitteln allmonatlich 150 ,- S beziehen , sozusagen
als Staatsstipendisten besonders bevorzugter Art die Möglichkeit haben , akademische Grade
zu erwerben und sich in höchstqualifizierten Berufen z. B. zum Arzt , Juristen , Ingenieur etc.
auszubilden , um dann , wenn die Gesetze für sie als ehemalige Nationalsozialisten günstiger
werden , derartige in die Gesellschaft führen de Berufe zu ergreifen , während ihre nichtnatio-
nalsozialistischen Kolleg( inn )en Volksschullehrer( innen ) bleiben müssen und bei dem gegen-
wärtigen Lehrermangel nicht einmal in die Lage kommen , zum Zweck ihrer Fortbildung auch
nur den be schei densten Studienurlaub zu erhalten.
Der Stadtschulrat für Wien gestattet sich , die Aufmerksamkeit des Bundes
ministeri ums für
Unterricht auf diesen Zustand zu lenken und zu bitten , durch geeignete Massnahmen hand-
greifliche Bevorzugungen abzustellen.“1869
Als direkte Reaktion auf dieses Schreiben – die dessen Inhalt fraglos bestätigte – folgte
am 1. Mai 1946 ein Beschluss des Aka demischen Senates , wonach ab sofort „die mit der
Vorbegutachtung der Studieren
den befassten Kommissionen anzuweisen“ waren , „jedem
Inskriptions werber die Frage vorzulegen , ob er bereits in einem Beruf steht“ beziehungs-
weise „etwa aus Gründen der Parteizugehörigkeit derzeit enthoben sei. Letzterenfalls wäre
die Zulassung seitens Ew. Spektabilität [ der jeweilige Dekan , d. Verf. ] zu verweigern.“1870
Das Unterrichtsministerium sah sich jedoch erst im Dezember 1946 – durch alliierten
Druck infolge der Ausschreitungen rund um die ersten ÖH-Wahlen
– per Erlass zu einer
„neuerlichen Über prü fung der Studierenden nach strenge ren Grundsätzen“ genötigt , da die
Vorfälle bei der Durchführung der Hoch schüler schaftswahlen „darauf hindeuten , dass die
Ideolo gien des National sozia lismus noch nicht überall restlos ausgemerzt sind“;1871 damit
wurden die Bestimmun gen für die Studenten schließlich deutlich strenger gehandhabt als
etwa die für das Lehr personal an den Universitäten.
1869 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 1309–1945 / 46 , Z. I. 2722 / 46 , Hochschulstudium registrier pflichti-
ger und vom Schuldienst enthobener Lehrpersonen , Schreiben des Stadtschulrats für Wien , Dr. Zech-
ner , an Bundesministerium für Unterricht , Wien 21. März 1946.
1870 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 1309–1945 / 46 , GZ. 85–1945 / 46 , Schreiben des Rektors der
Uni versität Wien ( Adamovich ) an „seine Spektabilität den Herrn Dekan der Philosophischen Fakultät“
( Prof. Dempf ), 14. Mai 1946.
1871 Von nun an waren alle Belasteten und Minderbelasteten bis einschließlich 30. April 1950 vom Stu-
dium auszuschließen. Erlass zur „Politischen Überprüfung der Hochschüler“ vom 6. Dezember 1946 , Z.
45. 675–III / 7. Verordnungsblatt für den Dienst bereich des Bundesministeriums für Unterricht , Jg. 1946 ,
Wien am 1. März 1946 , 3. Stück , 19.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741