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Schlussbemerkung 661
entschieden und konfliktbereit für einen grundsätzlichen Neubeginn des akademischen
Lebens und damit für eine grundlegende Neu orien tierung der bisherigen restaurativ-au-
toritären und hochgradig antisemitischen öster reichischen Wissenschaftsorganisation und
-politik zu nützen. Damit sollen die von amerikanischer Seite gewährten materiellen Hil-
festellungen , die von einer Viel zahl privater US-Einrichtungen unterstützt wurden , kei-
neswegs gering geschätzt werden. Gerade darin liegt zweifellos ein großes Verdienst der
leitenden Mitarbeiter der USACA Education Division. Ihre Auffassung vom „Struggle
for the Austrian Minds“ bezog sich vor allem auf die materiale Unterstützung der öster-
reichischen Universitäts kollegen , wobei deren westintegrative Abschirmung vor kom-
munis tischen oder gar sowjetischen Anschuldigungen , Vorhaltungen , Verun glim pfungen
oder Ansprüchen als zentrale Aufgabe erachtet wurde.
Langfristig erfolgreich , wenn auch mit wiederkehrenden Rückschlägen bis in die Ge-
genwart hinein , war die US-Reorientierungs-Politik – und zwar trotz deren fataler pro-
pagandistischer ‚Militarisierung‘ als Teil der psychologischen Kriegsführung im Kalten
Krieg – sicherlich in jenem Bereich , der bereits in den ursprünglichen zivilen US-Reori-
entierungs-Konzepten einen integralen Bestandteil bildete : in der Rückdämmung anti-
amerikanischer Ressentiments beziehungsweise umgekehrt – in der Popu
lari sierung des
„American way of life“.
Im Unterschied zu den ursprünglichen Überlegungen zur Demokratisierung nach
Kriegsende , in denen es primär um die Verankerung und Festigung friedlicher , zivil gesell-
schaftlicher Partizipation sowie um die freie individuelle und volks wirt schaftliche Ent-
wicklung im Bereich internationaler Kooperation und Zusam
menarbeit ging , vollzogen
sich die Prozesse der „Amerikanisierung“ dann doch ganz ohne edukative oder demokra-
tiepolitische Steuerungsimpulse – schließlich entfalteten sich diese nur als Sekundärphä-
nomene der wirtschaftlich-ökonomischen , politischen sowie lebensweltlichen West-
integration.
Mit Bezug auf die zweite eingangs formulierte These ließ sich anhand einer Fülle von
Beispielen ziviler Aktivitäten und Planungsüberlegungen darlegen , dass diese von Beginn
an auf die ( nicht-propagandistische ) Popularisierung amerikanischer Lebensart und deren
zivilgesellschaftlichen Werte abzielten. In ihrer
– zweifellos ideologischen
– Gleichsetzung
von Demokratie und „American way of life“ fokussierten die zum Teil durchaus komple-
xen zivilen Reorientierungs -Konzepte also keineswegs auf „Amerikanisierung“, sondern
waren ihrem positiven Grundgehalt nach auf die Verankerung und Beförderung friedli-
cher , zivilgesell schaftlicher Aktivitäten für das Gemeinwohl , auf politische Bildung und
Partizipation im Sinne eines funktio nierenden Parlamen tarismus , auf freie individuelle
und volks wirt schaftliche Ent wicklung sowie auf Stärkung transnationaler Kooperation
und Zusam menarbeit gerichtet – freilich unter der Voraussetzung alliierter Supervision
und Kontrolle.
Dass das Vorhaben einer demokratischen , zivilgesellschaftlichen Reorientierung – ur-
sprünglich als historisch einzigartiges Erziehungs-Experiment zur Friedensicherung
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Untertitel
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Autor
- Christian H. Stifter
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 762
- Schlagwörter
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741