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90 | Kommunen im Klimawandel
PROJEKTDESIGN
Bevor ich das Konzept der Gouvernementalität als eine Perspektive zur theoretischen
Weiterentwicklung des Best Practice-Begriffs vertiefe, lege ich im zweiten Teil die-
ses Kapitels zunächst meine eigenen Forschungspraktiken, die sich an einer pragma-
tischen Grounded Theory-Methodik anlehnen, offen. Ausgehend von der besonderen
Bedeutung, die Räumlichkeit und Zeitlichkeit sowie Körperlichkeit und Materialität
bei der Nachahmung von Praktiken einnehmen, folge ich im Rahmen dieser For-
schungsarbeit den „besten“ Praktiken durch Raum und Zeit (vgl. Anhang A). Dazu
untersuche ich die vielfältigen Beziehungen zwischen den Nachahmungen, wie das
zitierende Aufgreifen von Best Practices, Aneignungsprozesse von Best Practices so-
wie deren Verbindungen zu stabilisierenden Artefakten wie Broschüren oder Daten-
banken. Diese Hinwendung zur Praxis als Herzstück der theoretisch-empirischen
Analyse bedeutet gleichzeitig auch die Abwendung eines „scholastischen“ Theorie-
verständnisses (Alkemeyer und Buschmann 2016: 116). Mir geht es in dieser Arbeit
explizit nicht um die Entwicklung neuer abstrakter oder formallogischer Theoriege-
bäude zur Erklärung sozialer Wirklichkeit, sondern ich konzentriere mich mithilfe
einer Verbindung von praxeologischer Feldforschung und dokumentarischer Text-
analyse auf jene Handlungen, Prozesse, Beziehungen und Kontexte, durch die die
gewöhnliche, wirkliche und alltägliche Welt konstituiert wird (Jones und Murphy
2011). Damit möchte ich eine „Intellektualisierung“ des sozialen Lebens – die Ten-
denz von Sozialwissenschaftlern, Intentionen, Motivationen, Gründe oder Ursachen
in Handlungen und Verhalten hineinzulesen, oder in anderen Worten: eine theoreti-
sche Überinterpretation – vermeiden (Everts et al. 2011). Hauptziel ist stattdessen,
bestimmte praktische Phänomene und Zusammenhänge zunächst überhaupt sichtbar
zu machen und ihre empirische Erforschung anzuregen (Reckwitz 2016).
Wie in der Einleitung bereits geschildert, ergab sich die Idee und Motivation für
dieses Promotionsprojekt direkt aus meiner beruflichen Tätigkeit beim Climate-KIC
zwischen Juli 2013 und November 2014. Das heißt auch, dass meine Forschungsar-
beit ein Problem aus der Praxis behandelt. Das Ziel liegt dementsprechend stets darin,
„[…] dafür offen zu bleiben, was tatsächlich passiert und nicht darin, Daten mittels
vorgefasster Hypothesen und Vorlieben zu filtern. Es geht darum, zuzuhören, zu be-
obachten und so die zentrale Problemstellung der Teilnehmenden im Feld zu entde-
cken sowie deren Art und Weise der Problemklärung.“ (Glaser 2011: 148) Wie
Alkemeyer und Buschmann (2016: 127) betonen, liegt ein soziales Geschehen aller-
dings nie einfach offen zu Tage, „sondern muss durch die Einrichtung einer Analyse-
Optik methodisch beobachtbar gemacht werden“. In einem an Praktiken orientierten
Forschungsprogramm ist deshalb die Genese von Erklärungsmustern niemals ohne
empirische Arbeit möglich. Gleichzeitig erfordert die empirische Arbeit aber auch
ein theoretisches Instrumentarium, mithilfe dessen erst bestimmt werden kann, was
Kommunen im Klimawandel
Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Titel
- Kommunen im Klimawandel
- Untertitel
- Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
- Autor
- Nanja Nagorny-Koring
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4627-0
- Abmessungen
- 15.4 x 23.0 cm
- Seiten
- 324
- Kategorien
- Naturwissenschaften Umwelt und Klima
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315