Seite - 189 - in Kommunen im Klimawandel - Best Practices als Chance zur grünen Transformation?
Bild der Seite - 189 -
Text der Seite - 189 -
Best Climate Practices
[D]ie Gesellschaft [kann] nicht ohne einen Vorrat an
Routine, an Nachäffungen und einen unergründli-
chen Herdentrieb, der sich ständig über die Genrati-
onen vergrößert, leben, fortschreiten und sich verän-
dern.
(Tarde [1890] 2009: 97)
Wenn wir etwas Neues machen sollen, schauen wir oft danach, wie andere ein ähnli-
ches Problem gelöst haben. Jeder hat sich vermutlich schon mit Situationen und Auf-
gaben konfrontiert gesehen, bei denen er oder sie nicht auf Anhieb wusste, wie man
am besten genau vorgehen sollte: Wir fangen also an zu googeln, fragen eine erfah-
rene Kollegin um Rat oder rufen einen Bekannten an. Es ist somit ein recht natürli-
ches Vorgehen, dass wir versuchen, in unbekannten Situationen auf das Erfahrungs-
wissen von anderen zurückzugreifen oder deren Lösungswege nachzuahmen. Schon
1890 stellte der französische Soziologie Tarde ([1890] 2009: 78) daher fest, dass „der
soziale Mensch instinktiv nachahmt“.
Klimaschutz ist in der kommunalpolitischen Sphäre und Verwaltung eine relativ
neue Herausforderung, die auch noch mit einem zeitkritischen Faktor belegt ist: Sind
bestimmte Punkte erst einmal überstritten – sogenannte Tipping Points1 –, dann ist
der ungebremste Klimawandel nicht mehr aufzuhalten; so die Annahme (Lenton et
al. 2008). Das heißt, es sollte schnell zu erfolgreichem Handeln kommen. Politiker
und Verwaltungsangestellte, die mit der Implementierung neuer Klimaschutzmaß-
nahmen betraut sind, beziehen sich deshalb häufig auf Best Practices, um Indikatoren
und Rezepte abzuleiten, wie die eigene Kommune klimaneutral werden kann (Möss-
ner 2016). Neue Aufgaben und Probleme, gepaart mit einem gewissen Zeitdruck,
führen nun dazu, dass Best Practice-Beispiele im Politikfeld „kommunaler Klima-
1 Dazu zählen z.B. das großflächige Abschmelzen des Grönlandeises, die Veränderung bzw.
der Kollaps des Golfstroms oder das Auftauen des sibirischen Permafrostbodens.
Inhaltsverzeichnis
- Danksagung 9
- Das Prinzip der Nachahmung 11
- Forschungslücke und Fragestellung 16
- Aufbau der Arbeit 21
- Kommunen im Klimawandel 25
- Problematisierung: Vom Phänomen zum Problem 27
- Klimawandel als Politikproblem 32
- Klimawandel als kommunales Aufgabenfeld 38
- Klimapolitik als Multi-Level-Governance-Problem 48
- Die Stadt als Ursache, Betroffene und Lösung für das Klimaproblem 54
- Klimawandel als ökonomisches Problem 61
- Klimawandel als Problem kommunaler Praxis 65
- Den guten Praktiken auf der Spur 71
- Begriffsgeschichte und Definition 73
- Kritik und Positionalität 78
- Best Practice-Forschung 82
- Projektdesign 90
- Die Kunst, den Klimawandel zu regieren 115
- Gouvernementalität 116
- Klima-Gouvernementalität 126
- Das Praxisregime „kommunaler Klimaschutz“ 132
- New Public Climate Management 141
- Politische Rationalitäten 142
- Klima\Wandel ist regierbar 145
- Politische Programme 162
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (1): Vom Projekt zum Prinzip 172
- Die Regierungsrationalität des Klimaschutzmanagements (2): Das Rad nicht neu erfinden 179
- Implikationen einer besonderen Form des Klimaschutzes 186
- Best Climate Practices 189
- Rationalitäten und Technologien 191
- „Mit Ideen und Beispielen zum Erfolg“!? 194
- „Gebt uns gute Beispiele!“ 215
- Reflexion 227
- „Best Practice ist eine Geschichte“ 235
- Zur Performativität von Best Practices 239
- Zum transformativen Potenzial von Best Practices 249
- Fazit: „Klimaschutz leicht gemacht – von Erfolgsbeispielen lernen“? 260
- Literatur 275
- Anhang 315