Seite - 25 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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» Der Ritter «, so heißt es in einer aktuellen Studie zu Mittelalter
bildern im Comic, » ist Sinnbild der Epoche [ … ], Assoziationsaus
löser und Identifikationsfigur «, die Burg ist » idealer Ort der ritter
lichen Welt, Kulminationspunkt der Vorstellungen rit
terlichen
Lebens und damit auch des hohen Mittelalters. «42 Die zeitgenös
sische Vorstellung von Burg und Ritter – gebündelt und konzen
triert in idealen Repräsentationen wie der Gralsburg oder dem
Gralsritter Parzival – bildete eine Basis für die Restaurierung
und den Wiederauf bzw. Neubau von Burgen im 19. Jahrhundert,
wurde doch mit der Wiederherstellung einer solchen » Ritter
Burg « auch das Mittelalter ausschnitthaft wiederhergestellt und
reinszeniert.
Romantisch
historisches Interesse an einem idealisierten
Mittelalter und der gleichermaßen überhöhten Gestalt des Rit
ters lenkte die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen um 1800 auf die
Burgen, die als einzige bauliche Zeugen dieser vergangenen Rit
terwelt in die Gegenwart hineinragten. Ihre militärische Funk
tion hatten die Burgen im Lauf der vergangenen Jahrhunderte
zumeist verloren, und auch als Wohnsitz des Adels waren sie oft
schon lange zuvor von den weitaus bequemeren Schlössern abge
löst worden. Doch weniger das Bedürfnis nach historisch
kriti
scher Auseinandersetzung, als vielmehr der » romantische « Stim
mungen auslösende Anblick des verfallenen Gemäuers gab den
Ausschlag zu einer neuen Sicht auf die mittelalterlichen Burgen :
» Man betrachtet solche Ruinen «, schrieb Friedrich Schlegel 1806,
» entweder nur mit einer oberflächlichen ästhetischen Rührung,
als den unentbehrlichen romantischen Hintergrund für allerlei
beliebige moderne Gefühle, oder man sieht darin nur Raubschlös
ser, welche nach angeordnetem Landfrieden zerstört worden sind
und zerstört werden mußten [ … ] ; aber man sollte nicht immer
und überall nur die letzte Entartung mit der Sache selbst ver
wechseln, und so sich selber den Sinn für die herrlichsten Denk
male der Vergangenheit abstumpfen. «43
Schon die populäre Literatur des frühen 19. Jahrhunderts ver
knüpfte Beschreibungen der Burgen mit mehr oder weniger phan
tasievollen Schilderungen ritterlichen Lebens – der Begriff » Rit
terburg « wurde geprägt. Reiseführer zu den baulichen Überresten
des Mittelalters ermutigten bereits die Zeitgenossen im frühen
19. Jahrhundert, die mehr oder weniger verfallenen Gemäuer
aufzusuchen und in der Betrachtung der Ruinen ihren noch va
gen Begriff von Mittelalter und Rittertum zu schärfen, sich eine
Vorstellung von dieser längst vergangenen Epoche zu bilden, Ge
schichte zur Gegenwart werden zu lassen. So heißt es in der Vor
rede zum ersten Band von Friedrich Gottschalcks » Ritterburgen
und Bergschlösser Deutschlands « von 1810 : » In allen, besonders
25Ritter
– Burg
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258