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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Auch in einschlägigen historischen Studien, die nach der Jahr­ hundertmitte erschienen, werden das Mittelalter als Epoche, der Ritter als seine Figuration und die Burg als sein » Gehäuse « – und damit gebautes Symbol des mittelalterlichen Rittertums in all seinen Schattierungen – aufeinander bezogen. Charakteristisch für die zeitgenössische Einschätzung des Ritters und seine Ein­ bettung in » kulturgeschichtliche « Zusammenhänge ist Jacob von Falkes umfangreiche Studie » Die ritterliche Gesellschaft im Zeit­ alter des Frauencultus «, die 1862 in Berlin erschien.56 Der Au­ tor beschreibt den » vollkommenen Ritter « anhand literarischer Quellen, erfüllt von Religion, Liebe und Waffenwerk. Zwischen den Idealfiguren Tristan – als Verkörperung der irdischen Liebe – und Parzival – der für die himmlische Liebe steht – spannt Falke nicht nur » das Ritterthum, wie es wirklich war «, auf, sondern skizziert in Parzival und Tristan indirekt auch zeitgenössische Vorstellungen idealer Männlichkeit.57 Falke kommt allerdings nicht umhin, auch jenen » Zug, wenn nicht der Weichlichkeit, doch der Ueberfeinerung « zu kritisieren, der sich » schon früh « im Rittertum bemerkbar gemacht habe.58 Falkes Sicht des Rit­ ters changiert zwischen der Verherrlichung kriegerischer Männ­ lichkeit und Kritik am effeminiertem Minnedienst. Das Bild des zum Kampf oder Turnier bereiten Ritters des 12. und 13. Jahrhun­ derts beschwört er als ideale Erscheinung : » Denken wir uns nun diesen vollgerüsteten Ritter auf hohem Roß, das ingleichen ganz von der bildergeschmückten, reichgestickten Decke verhüllt war, den Schild am Arm, die Lanze mit wehendem Fähnlein in der Hand, so werden wir nicht verkennen, wie diese prangende Er­ scheinung ganz anders der ritterlichen Herrlichkeit entspricht, als jene späte, durch und durch unschöne eiserne Krebsgestalt, in die sich der verkommene Ritter aus Furcht vor Pulver und Blei versteckte. «59 Die spezifische, martialisch­ rohe und zugleich al­ tertümliche Gestalt des mittelalterlichen Ritters war offenbar ein besonderes Faszinosum ; das geht auch aus einer bemerkens­ werten Charakteristik des Ritterkörpers durch den Bauherrn von Kreuzenstein hervor : Über das Missverhältnis zwischen der Vor­ stellung von den mittelalterlichen » Hühnengestalten « und den vergleichsweise kleinen und engen Rüstungen schreibt Wilczek, dass jene entbehrungsreich lebenden » Männer, welche den Har­ nisch von Jugend auf Winter und Sommer trugen [ … ], kein Lot Fett am Leibe ansetzen « konnten » und ihre Nerven, Sehnen und Muskeln waren zu Stahl abgehärtet, etwa so, wie die Jockeys es heutzutage durch künstliche Trainierung erreichen. «60 Die Auseinandersetzung mit der Lebenswelt der Ritter war und ist stets von Projektionen eigener, zeitgenössischer gesellschaft­ licher, moralischer und ästhetischer Vorstellungen geprägt. Das 28 Mittelalterbilder
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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