Seite - 31 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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erst gegen Ende des Jahrhunderts. Die maßgeblichen Arbeiten
zum Thema erschienen damit zu einem Zeitpunkt, als die meis
ten großen Restaurierungs und Wiederaufbauprojekte bereits im
Gange oder schon abgeschlossen waren, sodass sich ihre prakti
sche Wirkung in engen Grenzen hielt : 1889 legte der Direktor des
Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, August Essenwein
( 1831 – 1892 ) seine mit zahlreichen hypothetischen Rekonstrukti
onen mittelalterlicher Burgen illustrierte » Kriegsbaukunst « vor,
1895 folgte mit der » Burgenkunde « Otto Pipers ( 1841 – 1921 ) eines
der bis heute am weitesten verbreiteten Fachbücher zum Thema.73
Im Schaffen Bodo Ebhardts ( 1865 – 1945 ), Pipers Konkurrenten in
der Burgenforschung, verbanden sich Theorie und Praxis des Bur
genbaus. Ebhardt, der seit 1899 die Serie » Deutsche Burgen « pu
blizierte,74 legte im Jahr 1901 mit den » Grundlagen der Erhaltung
und Wiederherstellung deutscher Burgen « eine wichtige praxis
bezogene Schrift vor.75 Auch als Antwort auf Ebhardts » Deutsche
Burgen « publizierte Otto Piper zwischen 1902 und 1910 » im Auf
trage Sr. Durchlaucht des regierenden Fürsten Johann von und
zu Liechtenstein und Sr. Excellenz des Grafen Wilczek « acht
Bände über » Österreichische Burgen «.76 Im Vorwort zum ersten
Band heißt es : » Im Laufe der letzten Jahrzehnte ist in wachsen
dem Maße die Erkenntnis durchgedrungen, daß unsere Burgreste
nicht nur als billige Steinbrüche oder etwa von Seiten eines Land
schaftsmalers, eines poetisch gestimmten Gemüthes Beachtung
verdienen, sondern daß sie auch als Denkmal der Geschichte wie
einer gutentheils eigenartigen Architektur ihren mehr oder min
der hohen Wert haben. «77 Mit Liechtenstein und Wilczek hatte Pi
pers Werk zwei potente Unterstützer gefunden, denen selbst an
einer Erforschung der Burgen gelegen war, die jedoch in ihrem ei
genen Wirkungsbereich als Bauherren von Burgen auftraten und
dabei nicht selten die von Forschern wie Piper aus den Ruinen ge
wonnenen bauhistorischen Befunde durch den Wiederaufbau der
Burg weitgehend unkenntlich machten. Wilczek war also an einer
historisch
kritischen wissenschaftlichen Durchdringung der mit
telalterlichen Burg genauso gelegen wie an ihrer vom Zwang der
historischen Realität frei gemachten, phantasievollen, ja phantas
tischen Rekonstruktion.
Karl Fuchs, der um 1900 den Wiederaufbau mehrerer öster
reichischer Burgen publizistisch begleitete,78 veröffentlichte im
Jahr 1907 in Karl Vollmers » Sammlung belehrender Unterhal
tungsschriften für die deutsche Jugend « das Buch » Ritterburgen
und ritterliches Leben in Deutschland «.79 Der verhalten natio
nalistische Ton seiner in Österreich verlegten Schriften tritt in
diesem in Berlin publizierten Text an die Oberfläche und steht
hier exemplarisch für die nationalistische Interpretation und
31Ritter
– Burg
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258