Seite - 58 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Anfang an war auch an eine museale Nutzung der Burg gedacht ;
wie in den Parkburgen der Romantik wurden Mausoleum und
Museum also an einem Ort vereint.160 Bis 1890 konnte Kayser
den Bergfried restaurieren und den Kapellen bzw. Grufttrakt
eindecken,161 1892 waren die Gewölbe der Gruft in Bau,162 die
Vollendung dieses zentralen Bereiches mit der darüberliegen
den Kapelle lag nach Kaysers Tod 1895 dann bereits in den Hän
den Humbert Walchers von Molthein. Nach dem Tod des Fürs
ten wurden die Bauarbeiten am Ostturm 1906 eingestellt ; sein
Erbe hatte offenbar kein Interesse an einem Weiterbau. Auf
grund des Fehlens eines Gesamtplans und des abrupten Endes
der Bauarbeiten ist nicht klar, inwieweit in Hardegg überhaupt
ein gänzlicher Wiederaufbau beabsichtigt war oder ob der heute
reizvoll erscheinende Kontrast von ruinösen und intakten, wie
derhergestellten Bauteilen nicht womöglich der Intention des
Bauherrn entsprach ; auch in Kreuzenstein war zunächst keines
wegs entschieden, ob tatsächlich die gesamte Burg wiederauf
gebaut werden sollte.163 Bemerkenswert ist neben dem auf eine
fiktiv rekonstruierte Baugeschichte verweisenden stilistischen
Pluralismus die bauarchäologische Sorgfalt der Arbeiten,164 die
von einem für die Zeit ungewöhnlichen Interesse an den » Ab
drücken « der Geschichte am Bauwerk zeugt.
Liechtenstein und Hardegg zählen zu den wichtigsten Beispiele
des privaten Burgenbaus in Österreich Ungarn und stehen durch
die Architekten Kayser und Walcher in unmittelbarer Beziehung
zu Burg Kreuzenstein. Ihr Bauherr stand im letzten Viertel des
19. Jahrhunderts im Mittelpunkt der vom Burgenbau begeister
ten Aristokraten der Habsburgermonarchie und beriet viele bei
ihren Unternehmungen.165 Durch die Auseinandersetzung mit
dem mittelalterlichen Wehrbau und seiner Erhaltung wurde
Wilczek zu einem anerkannten Fachmann, der wiederholt zu
Fragen der Denkmalpflege Stellung nahm.
Wilczeks wichtigstes denkmalpflegerisches Experimentier
feld war indes nicht Kreuzenstein – das für ihn nach eigenen
Aussagen kein Problem der Restaurierung darstellte, weil dort
schlichtweg nichts zu restaurieren gewesen sei166 – sondern die
1886 erworbene Burg Moosham im Salzburger Lungau.167 〚 22 〛
Wilczek konzentrierte die Eingriffe auf den Ostteil der Anlage
und ließ dort eine Art Bergfried errichten, der wohl dem offen
sichtlichen Mangel an Türmen Abhilfe schaffen sollte und der
Burg zugleich von der Berg , wie auch von der Talseite ein ab
wechslungsreiches und zugleich kompositionell ausgewogenes,
» malerisches « Erscheinungsbild gab. Die sorgfältige und behut
same Restaurierung von Moosham, das trotz der kaum sichtbaren,
58 Mittelalterbilder
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258