Seite - 61 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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hatte sich Wilczek doch durch einen Artikel in der Illustrirten
Elsässischen Rundschau von 1905 in der hitzigen Diskussion um
Form und Methodik des Wiederaufbaus entschieden auf die
Seite Pipers und damit der Kritiker gestellt176 und sah nun » nicht
ohne Sorge den Moment kommen, wo der Kaiser beim Besuch
der Hochkönigsburg ( sic ! ) meine Ansichten über sie würde hören
wollen «.177 Schließlich überwog dann bei Wilczek aber der posi
tive Gesamteindruck.178
Wilczeks Engagement beim Wiederaufbau von Schloss Tirol
wurde bereits erwähnt ; weitaus privaterer Natur war seine Mitar
beit beim Wiederaufbau der Burg Finstergrün bei Ramingstein im
Lungau. Die Ruine wurde im Jahr 1900 von Graf Sándor Szápáry
erworben, der die Kenntnis des Bauwerks niemand anderem als
Wilczek verdankte – er dürfte den Grafen bei einem Besuch im
nahegelegenen Schloss Moosham auf Finstergrün aufmerksam
gemacht haben.179 Szápáry plante, die Burg zu Wohnzwecken
auszubauen, wobei aber die mittelalterlichen Reste zunächst
unberührt bleiben sollten. Anstelle der ehemaligen Wirtschafts
gebäude wurde nach den Plänen des späteren Wiener Dombau
meisters Ludwig Simon eine neue Burg » im Style des XIII. Jahr
hunderts « errichtet.180 Nach dem frühen Tod des Bauherrn im
Jahr 1904 wurden die Arbeiten durch seine Witwe Margit noch
mehrere Jahre hindurch weitergeführt, der geplante Ausbau der
Ruine unterblieb jedoch.
Im Anschluss an Finstergrün spielte Wilczek eine zent
rale Rolle bei der Restaurierung von Schloss Vaduz in Liechten
stein.181 Nachdem die Burg im Laufe des 19. Jahrhunderts zuneh
mend dem Verfall preisgegeben worden war, entschied sich Fürst
Johann II. von Liechtenstein im Jahr 1904 – und damit unmittel
bar nach der Fertigstellung der Arbeiten an der Veste Liechten
stein – auch hier für einen umfassenden Wiederaufbau. Wilczek
fungierte nicht nur als – inoffizieller – Vorsitzender der Baukom
mission, er war der » geistige Konzepteur « des gesamten Pro
jekts.182 Die Leitung der Arbeiten lag in den Händen des Innsbru
cker Universitätsprofessors und Burgenrestaurators Franz von
Wieser, mit dem Wilczek zur gleichen Zeit in Schloss Tirol zusam
menarbeitete, die praktische Durchführung wurde Alois Gstrein
aus Brixen übertragen, der schon die Bauarbeiten in Moosham ge
leitet hatte.183 Wilczeks Aufmerksamkeit galt neben baulichen
Fragen auch der Ausstattung, wie zahlreiche Notizen zu Auswahl
und Kauf von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen
für Vaduz belegen.184 Wie in Moosham, so strebte Wilczek auch in
Vaduz eine » malerische «, auf ein imaginiertes mittelalterli
ches Erscheinungsbild der Burg abgestimmte Wirkung an, deren
Herstellung durchaus auf Kosten vorhandener Zeugen anderer
61Die
Burg als Zeitvertreib
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258