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Johann Nepomuk Graf Wilczek, Frei und Bannerherr von
Hultschin und Guttenland, Herr der Fideikommißherrschaf
ten Kö nigs berg, Poruba, Groß Pohlom, Schlesisch Ostrau und
Hruschau, wurde am 7. Dezember 1837 als Sohn von Stanislaus
Graf Wilczek und seiner Frau Gabrielle, einer geborenen Baronin
Reischach, im Wiener Palais der Familie in der Herrengasse gebo
ren. Nach dem frühen Tod des Vaters übernahmen seine Mutter
sowie sein Cousin und Vormund Friedrich Wilczek, Gouverneur
von Tirol, die Erziehung des Buben. Von seinen Privatlehrern
sagte Wilczek später, » sehr wenig oder nichts gelernt « zu ha
ben,201 und sein weiterer Lebensweg lieferte » einen merkwür
digen Beweis dafür [ … ], daß angeborene Talente und Neigungen
sich auch in einer Umgebung entwickeln und durchsetzen kön
nen, die dafür nicht die geringste Anregung bietet. «202 Zwischen
1855 und 1856 als außerordentlicher Hörer an der Wiener Uni
versität inskribiert, heiratete Wilczek am 16. Mai 1858 Emma
Gräfin Emo Capodilista ( 1833 – 1924 ). Das Vermögen der Familie
– und zugleich die materielle Basis für die weitreichenden Aktivi
täten Wilczeks – stammte vorwiegend aus dem Abbau von Stein
kohle in Schlesien, der unter dem Namen » Exzellenz Gräflich
Wilczekscher Steinkohlenbergbau in Polnisch Ostrau « geführt
und später in » Graf Johann Wilczeksche Kohlen und Kokswerke
in Schlesisch Ostrau « umbenannt wurde.203 Damit galt Wilczek
als einer der reichsten Aristokraten Österreichs.204
Anders als viele Standesgenossen, die sich zunehmend aus dem
öffentlichen Leben zurückzogen, machte sich der junge Wilczek
rasch durch zahlreiche Unternehmungen einen Namen.205 So eta
blierte er zusammen mit Graf August Breuner 1863 in den ehe
maligen Gartenanlagen des Fürsten Liechtenstein am Schüttel
im Wiener Prater einen privaten Tiergarten und zählte gleichzei
tig zu den Mitbegründern des exklusiven, vorwiegend vom Adel
frequentierten » Wiener Rudervereins «. Im Jahr 1866 kämpfte er
– trotz seines durch die erbliche Reichsratsmitgliedschaft begrün
deten Anspruchs auf einen Offiziersrang – als einfacher Freiwil
liger in der Schlacht von Königgrätz, wo er im Gefecht bei Blu
menau in der Nähe von Pressburg gleichsam mitten im Kampf
getümmel ein keltisches Bronzeschwert entdeckt haben soll ;
eine immer wieder erzählte Anekdote, die er Jahrzehnte später in
seinen » Erinnerungen eines Waffensammlers « niederschrieb.206
Schon früh wurde nicht ohne Bewunderung die außerge
wöhnliche Erscheinung des hochgewachsenen Wilczek betont,
die » körperliche Gewandtheit, seine ungewöhnliche Muskel
kraft, seine kaltblütige, doch rasche Ueberlegung und sein ruhi
ger durchdringender Blick « hervorgehoben.207 Im » Budapester
Tagblatt « heißt es im Jahr 1876 über den kaum Vierzigjährigen :
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Sammler
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258