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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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nach Kreuzenstein musste vorbereitet werden : » Die Speicher in den Schlössern Seebarn und Tresdorf waren angefüllt mit Wer­ ken der Plastik und Malerei, mit gotischen Möbeln und den Arbei­ ten deutscher Handwerker in allen möglichen Techniken. Wie in Kaufläden des Mittelalters standen Reihen alter Gläser, Tonkrüge und Zinnkannen hintereinander, dann wieder unzählige Folgen von gotischem Türbeschlag, altem Werkzeug, alchimistischen Retorten usw. «257 Nun galt es nicht mehr allein, eine exquisite Sammlung aufzubauen – diese bestand ja in ihren wesentlichen Teilen bereits – sondern jene breite Masse an Objekten zu akqui­ rieren, die zur Ausstattung einer mittelalterlichen Burg notwen­ dig war. So erwarb Wilczek für die im obersten Geschoß des Palas gelegenen vierzehn Schlafzimmer » in wenigen Wochen aus den entlegensten Bergtälern Tirol’s « ebenso viele Betten des 15. und 16. Jahrhunderts, und dreißig mittelalterliche Truhen wurden – für 40 Mark pro Stück – im Thüringer Wald erworben.258 Dass an­ gesichts dieser Zahlen Quantität vor Qualität gestellt wurde, ver­ steht sich von selbst. Zugleich aber lag genau dies im Anspruch Wilczeks begründet, mit Kreuzenstein weniger ein kunsthistori­ sches, als vielmehr ein » kulturgeschichtliches Bild « des Mittelal­ ters zu entwerfen, wie Alois Riegl zur selben Zeit die gängige Re­ konstruktions­ bzw. historisierende Vergegenwärtigungs praxis charakterisierte.259 Ein genuin kulturgeschichtlicher Zugang ist in der ganzen Breite des Wilczekschen Sammelns – und damit in seinem Konzept von Geschichte – zu erkennen. Wilczek beschränkte sich also keineswegs auf das Sammeln hochkarätiger mittelalterlicher Kunst, sondern versuchte, die ganze Lebensrealität des Mittelalters, wie sie sich ihm darstellte – von der Banalität des täglichen Essgeschirrs bis hin zum bedeu­ tenden Kunstwerk – in umfassender Weise durch materielle Re­ likte zu dokumentieren und durch die Präsentation auf Kreuzen­ stein dieses imaginäre Mittelalter künstlich wiederherzustellen. Die traditionellen Grenzen zwischen den Sammelgebieten spiel­ ten dabei keine Rolle ; Wilczek sammelte – ähnlich wie zur selben Zeit Albert Figdor in Wien – mit derselben Begeisterung Möbel, Hausrat, Tafelbilder, Skulpturen, Waffen, Türbeschläge, Grafik, Musikinstrumente, orientalische Teppiche und Turnierkleider. Der Bestand an mittelalterlicher Tafelmalerei war ehemals be­ deutend, darunter befanden sich Werke von Jean Fouquet, Rogier van der Weyden, Konrad Witz, Lucas Cranach d. Ä. und Bernhard Strigel.260 〚 27 – 30 〛 Allerdings trennte sich Wilczek noch zu Leb­ zeiten aus unbekanntem Grund von einigen seiner wertvollsten Bilder. Dagegen ist mit den Glasgemälden ein für den Gesamtein­ druck der Innenräume von Kreuzenstein wesentlicher Samm­ lungsbestand heute noch zum Großteil in situ vorhanden.261 75Der Sammler
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und BauhĂĽtte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. AuĂźenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. FrĂĽhe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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