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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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betont Wilczek immer wieder Fleiß und Geschicklichkeit, mit der » seine « Handwerker in Kreuzenstein arbeiteten, » wie stolz sie auf ihre Leistungen sind und wie sie sich bedeutender fühlen als ihre Berufsgenossen, die nur Wohnhäuser und Fabriken bauen. «285 Die Kreuzensteiner Bauhütte war durch ihre Verbindung mit dem künstlerisch aktiven Bauherrn zwar ein Sonderfall, aber kei­ neswegs die einzige derartige Einrichtung. So hatte man etwa für den 1896 begonnenen Wiederaufbau der Deutschordens­ burg Busau / Bouzov in Mähren, den Georg Ritter von Hauberris­ ser im Auftrag Erzherzog Eugens leitete, eine » echte » Bauhütte ‹ alten Schlages « gegründet, von der auch hier eine Wiederbele­ bung alter Handwerkstradition erhofft wurde.286 Auch Friedrich von Schmidt, dessen Mitarbeiter Carl Gangolf Kayser gewesen war, hatte beim Bau des Wiener Rathauses – anders als bei vergleichba­ ren Bauprojekten der Wiener Ringstraße – eine » Bauhütte « instal­ liert, die vorwiegend mit der Herstellung der aufwendigen Stein­ metzarbeiten betraut wurde, allerdings nicht, » um eine alte Tradi­ tion wiederzubeleben, sondern um – zweckrational – Arbeitsgänge zu ersparen «.287 Implizit ist allerdings auch hier die mittelalter­ liche Bauhüttentradition präsent.288 Camillo Sitte diente Kreu­ zenstein in seinem Aufsatz von 1898 offenkundig als positives Ge­ genbild zum zeitgenössischen Architekturbetrieb und seiner Bau­ praxis, als Gegenentwurf zu der zunehmend als » seelenlos « und » unkünstlerisch « empfundenen architektonischen und kunst­ gewerblichen Massenproduktion seiner Zeit. Dass Sittes Hymne auf die Burg des Grafen Wilczek just im ersten Jahrgang der neuen Zeitschrift des Österreichischen Museums für Kunst und Indus­ trie erscheint, ist dabei auch als Signal zur Reform des Kunstge­ werbes zu verstehen, das Sitte aus dem Geist mittelalterlicher Bauhüttentradition erneuern zu können glaubte. Sein Rekurs auf die Bauhüttentradition des Mittelalters steht für die Forderung nach einer Revitalisierung traditioneller Handwerksformen und ­ techniken unter dem Eindruck der rapiden Industrialisierung während des 19. Jahrhunderts, wie sie etwa schon von John Rus­ kin in den » Stones of Venice « 1851 – 1853 vertreten worden war und über die » Arts and Crafts «­ Bewegung um William Morris auch die Vordenker der Wiener Kunstgewerbebewegung beeinflusste. Das Mittelalter wurde hier zum idealen Zeitalter einer verlorenen, religiös begründeten Einheit von Kunst und Leben stilisiert – eine Deutung, die wohl auch das für Kreuzenstein grundlegende Mit­ telalterbild des Grafen Wilczek bestimmt haben wird.289 Wenn der Bauherr zum » Schöpfer « wird und sich selbst der gelernte Architekt Camillo Sitte angesichts dieser Tatsache zur » Scheidung des geistigen Eigenthumsrechtes an einer hervorragen­ den Kunstschöpfung «290 genötigt sah, geraten die aus führenden 82 Eine moderne Burg
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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