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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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hatte, war noch zu erkennen. Dort suchte ich nach der alten Gruft, es war aber keine vorhanden. Die Kreuzensteiner hatten sich an­ derswo begraben lassen. «298 Es war also nicht zuletzt der mit Er­ innerungen an die frühe Jugend verknüpfte » romantische « Aus­ sichtspunkt, der den Ausschlag für die Wahl des Bauplatzes gab. Zugleich war es Wilczek aber auch wichtig, die Ursprünge von Kreuzenstein historisch möglichst weit zurückzuverfolgen ; den Ringwall, der die Burg bis heute umgibt, datierte er gar in prähis­ torische Zeit.299 Romantische Vorstellung und scheinbar objek­ tive archäologisch­ antiquarische Spurensuche gehören in Kreu­ zenstein zusammen. Das mittelalterliche » Grizzanestein « war im Jahr 1115 erst­ mals urkundlich erwähnt worden, damals hatte die Burg im Be­ sitz der Grafen von Formbach gestanden.300 Vom 13. bis ins frühe 17. Jahrhundert wurde Kreuzenstein als landesfürstliches Lehen verwaltet und erst nach 1619 von Kaiser Ferdinand II. der Familie der Grafen von Saint­ Hilaire in erblichen Besitz übergeben. Wäh­ rend des Dreißigjährigen Krieges von schwedischen Truppen be­ setzt und als Hauptquartier des Generals Lennart Torstenson genutzt, wurde Kreuzenstein zu Verteidigungszwecken ausge­ baut und schließlich 1645, beim Abzug der Schweden, gesprengt. Ein Stich Georg Matthäus Vischers zeigt den verwahrlosten und verlassenen Zustand der Burg zu Beginn der Siebzigerjahre des 17. Jahrhunderts. Im Jahr 1698 kam die Ruine schließlich durch Heirat in den Besitz der Familie Wilczek und wurde – wie so viele funktionslose Wehrbauten – zum Steinbruch für den Bau neuer Gebäude : » Die herumliegenden Mauertrümmer dienten den Bewohnern der nahen Dörfer als Baumaterial. Meine Vorfah­ ren selbst bauten damit Meierhöfe und Granarien. Als schließ­ lich Ruhe eintrat und Gras über die schweren Wunden gewach­ sen war, ragten nur noch einige Mauerzacken und Pfeiler aus den Trümmern. «301 Lange vor dem Entschluss zum Wiederauf­ bau hatte sich auch Wilczek selbst an der Ruine schadlos gehalten, als er zur angemessenen Ausschmückung des Bärenzwingers im 1863 eröffneten Tiergarten am Schüttel im Prater » ein Stück einer alten Mauer mit einem Erker « abtragen und nach Wien bringen ließ.302 Schon bei diesem Projekt spielten Authentizität des Ma­ terials und die bildmäßige Wirkung der Architektur eine gewich­ tige Rolle : Glaubt man dem offiziellen Führer durch den Tiergar­ ten, so hätte der Landschaftsmaler Schrödl mit seinem Entwurf für den Bärenzwinger gezeigt, » in welcher Weise eine Ruine ge­ baut werden muss, wenn sie die vollständige Illusion einer Ruine und nicht die eines Artefactes machen soll. «303 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das nur mäßig pittoreske Kreuzenstein vor allem als Aussichtspunkt bekannt : 87Wiederaufbau
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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