Seite - 139 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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interessantes gothisches Bett ; ein Relief des heiligen Marcus
aus Süddeutschland ; einen Betschemel mit italienischem Trip
tychon ; in der Fensterecke einen alten Armstuhl ; einen alten
gusseisernen Ofen aus der Hofapotheke von Innsbruck ; in den
Wandnischen eine kleine Bibliothek aus durchwegs merkwürdi
gen alten Bänden zusammengesetzt. Die Wand und Deckenver
täfelung ist aus altem Holz neu zusammengefügt und fällt dabei
der schön geschnitzte und bemalte alte Durchzug besonders auf.
Der Vorplatz ist mit alten Fliesen ausgelegt, aus der Nicolauskir
che in Korneuburg. «427
Die profanen Haupträume der Burg sind im Palas konzent
riert. Das gesamte Erdgeschoß des im Grundriss leicht konvex ge
krümmten Traktes nimmt die Waffensammlung ein, » und zwar
so, wie vermuthlich die Rüstkammern im Mittelalter angeordnet
waren, nicht decorativ, sondern wie zum Gebrauch. «428 Die Rüst
kammer wird durch Gurtbögen in fünf Joche unterteilt ; vier da
von sind kreuzgratgewölbt, eines ist durch ein auf Tierkopfkon
solen ruhendes, weit heruntergezogenes Sternrippengewölbe
mit einem aus einem Seilknoten gebildeten Schlussstein beson
ders ausgezeichnet. 〚 87, 88 〛 Darüber sind mit dem Großen Saal,
der Jagdkammer und dem Fürstenzimmer die Wohn und Repräsen
tationsräume angeordnet. Zwei Stiegenanlagen erschließen die
Obergeschoße des Palas. Eine schmale Stiege an der Rückwand der
Loggia bildete bis zur Errichtung des Stiegenhauses im Osten den
einzigen Zugang zu den Räumen im ersten Stock. Deren Anlage
und Reihung sind offensichtlich dieser Erschließung geschuldet,
denn nur in der Gehrichtung von West nach Ost – und nicht vom
repräsentativen Hauptstiegenhaus aus – lässt sich die Raumfolge
im ersten Stock als schlüssige Sequenz unterschiedlich gestalte
ter Interieurs erfahren. Auch die Einrichtung und Möblierung mit
den jeweiligen Haupt und Schaustücken, die wiederum an Büh
nenbauten oder Filmsets gemahnende Inszenierung der Räume,
rechnet mit einem sich in diese Richtung bewegenden Betrach
ter, dem in jedem Raum neue, zu eindrucksvollen » Bildern « zu
sammengestellte Interieurs vorgeführt werden. Auch in den Foto
grafien Wilhelm Burgers sind diese Räume in der Regel von einem
Standpunkt aufgenommen, der jenes perfekte Bild einfriert, das
sich dem Besucher beim Eintreten in die Räume bietet. Sucht man
die Räume hintereinander aus der entgegengesetzten Richtung,
durch das Stiegenhaus im Osten auf, entsteht dagegen der Ein
druck, sie durch die Hintertüre zu betreten.
Das Entree zu den Räumen im Palas bildet das Obergeschoß der
Loggia, von dem aus in die entgegengesetzte Richtung auch der
Orgelchor, der Sängerchor und das Oratorium der Kapelle erreichbar
139Interieurs
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258