Seite - 165 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Wohnräume wie Gemälde beschrieb, wenn er etwa für das Spei
sezimmer forderte, man müsse bei seiner Einrichtung » fast wie
bei der Composition eines Bildes zu werke gehen «472, da es auf
den Betrachter wie ein » Bilde mit concentrirtem Licht im Stil ei
nes Rembrandt « wirken solle.473 Auf diese Weise erst kann aus
dem Wohnraum jenes für das 19. Jahrhundert charakteristische
» Milieu « werden, das Eggert » als erweiterte Selbstdarstellung
der imaginierten, nicht nur gedachten Individualität und damit
als deren Selbsterschaffung « beschrieben hat, die als » dem Men
schen gegenüber selbständige Wesenheit « sogar » übermächtig «
werden kann.474
Das geschlossene Bild, das die Interieurs von Kreuzenstein als
» Milieu « erwecken, rührt neben der sorgfältigen Abstimmung
von Material, Farben und Oberflächen nicht zuletzt auch vom auf
fällig reichen Einsatz der Glasmalerei her. Durch sie erhalten die
natürlichen Lichtquellen der Räume einen Filter, der den Blick
nach Außen – und damit in die » wirkliche « Welt der Gegenwart
– zumindest trübt, wenn nicht gar unmöglich macht und so die
Aufmerksamkeit im Interieur konzentriert. Auch hier lassen sich
aufschlussreiche Parallelen zu Jacob von Falke finden : In der vier
ten Auflage der » Kunst im Hause « von 1882 widmete er erstmals
ein eigenes Kapitel der Dekoration des Fensters durch Glasmale
rei und Vorhänge, das als » Kompendium seines Wohnbegriffes «475
bezeichnet wurde und hier exemplarisch für die vielfältigen Ver
bindungen der Innenräume von Kreuzenstein zur zeitgenössi
schen Wohnkultur steht. Für Falke nämlich ist das moderne Fens
ter » eine einzige, große, scharf abgegränzte Lichtmasse «, sie » tut
unseren Augen wehe « und wirkt angesichts des reich dekorier
ten Fußbodens und Plafonds wie eine » leere Fläche [ … ], ein un
ausgefülltes Loch in unserem Bilde. «476 Abhilfe würden vor al
lem Butzenscheiben schaffen, die zwar » den Genuss der Aussicht,
auf die Neuigkeiten der Strasse « unmöglich machen, dafür aber
durch das lebendige Spiel des gebrochenen Lichtes » auf der far
bigen Umgebung, auf dem Teppich, auf der geschmückten Wand
und all diesen Kunstgegenständen oder Siebensachen, mit denen
wir uns umgeben « entschädigen und die » verlockenden Dinge
da draussen « vergessen lassen würden.477 Erst aber ornamentale
oder figürliche Glasmalerei schließe » das grelle, gähnende Loch
zwischen Decoration und Decoration ; sie fügt den spielenden
Lichtern die Farbe hinzu und setzt selbst ein Bild an die Stelle des
Nichts ; sie verleiht Poesie dem Gemache, giebt ihm Weihe, Leben
und Wärme und entrückt es dadurch der Nüchterneit, der Alltäg
lichkeit ; an sich reizvoll, in Harmonie mit ihrer Umgebung, giesst
sie über den ganzen Reichthum des Gemachs den Schimmer der
Verklärung «.478 Es scheint beinahe, als hätten Falkes Ratschläge
165Interieurs
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258