Seite - 167 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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zumindest eines » imaginären « Bewohners vorhanden sind – in
anderem Gewand taucht hier noch einmal einer jener Ritter auf,
die schon in den Burgen der Romantik gehaust und die Phantasie
der Besucher angeregt hatten.
Auskunft über die Identität dieses imaginären Hausherren
gibt ein Steinwappen über dem Tor der Burg. Glaubt man Wilczek,
so stammt es von einem » alten Palazzo « in Venedig, in dem Kaiser
Maximilian I., der letzte Ritter, dereinst gewohnt haben soll.480
Über der Pforte ist das deutlich kleinere Wappen der Familie
Wilczek eingelassen – der imaginäre wie auch der reale Burgherr
von Kreuzenstein sind damit bereits am Eingang der Burg ausge
wiesen. In der Tat schien es schon den Zeitgenossen um 1900, als
sei in Kreuzenstein alles auf die Rückkehr des » Letzten Ritters «
vorbereitet : » In den Donauauen bei Kreuzenstein hat Maximilian
öfters gejagt. Würde er heute von einem solchen » lustig gejaidt ‹
in der Burg einziehen [ … ], er würde sich bald heimisch fühlen in
der » ernewerten ‹ Feste : ist er doch ihr unsichtbarer Hausherr. «481
Kreuzenstein, schreibt Alfred Walcher von Molthein 1908, » ist
das Gewaltwerk eines Mannes, der uns hier seine eigene Überzeu
gung mit Hilfe dieses großen Bildes übersetzt, uns in die Epoche
eines Kaisers Max einführt, weil sie die reichste an idealen männ
lichen Tugenden war. «482
Dass Kreuzenstein auch als fiktiver Sitz des » letzten Ritters «
konzipiert wurde, sollte angesichts der breiten bildkünstleri
schen und literarischen Rezeption des Kaisers als Tugendheld, Mä
zen und Begründer der habsburgischen Hausmacht an der Wende
vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit während des 19. Jahrhunderts
nicht verwundern.483 Ganz auf die Herrscherdynastie zugeschnit
ten war etwa jener goldene Ritter » in Maximilianischer Rüstung «,
den Franz Matsch an prominenter Stelle in den 1891 vollendeten
Zwickelbildern des Kunsthistorischen Museums als Personifika
tion der nordischen Kunst der Gotik im Kampf mit Tod und Dra
chen vor einer Inschrift mit dem Namenszug Kaiser Maximilians
darstellte.484 〚 6 〛 Die Rüstung – Vorbild war ein in der kaiserlichen
Waffensammlung aufbewahrter Harnisch Lorenz Helmschmids
aus dem 15. Jahrhundert – diente noch Gustav Klimt 1902 als
Vorlage für seinen Beethoven
Fries, in dem der » wohlgerüstete
Starke « als » goldener Ritter «, dessen Gesichtszüge und Haar
tracht an Kaiser Maximilian erinnern, den » feindlichen Gewal
ten « rund um den Giganten Typhoeus in die Augen blickt.485 〚 7 〛
Darüber hinaus aber war Maximilian von Kindesbeinen an
auch die wichtigste historische Projektions und Identifikations
figur des Bauherrn von Kreuzenstein. In seinem Vorwort zur Fak
simile Ausgabe des » Jagdbuchs « Kaiser Maximilians schreibt der
damals bereits über sechzigjährige Wilczek im Jahr 1901 : » Schon
167Der
imaginäre Bewohner
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258