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Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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müssen. Schon der bloße Akt der Bewegung der Spolie ist also von Bedeutung, und mittelbar oder unmittelbar kann sie im neuen baulichen Zusammenhang befähigt werden, von diesem Orts­ wechsel zu erzählen.528 Die Gründe für den Einsatz von Spolien sind vielfältig : Es kann die Notwendigkeit bestehen, den Neubau durch bereits vorhan­ dene, aufwändig bearbeitete Bauteile kostensparend auszustat­ ten ; ein ästhetisches oder antiquarisches Bedürfnis kann außer­ dem den Einbau älterer Substanz motivieren ; der übernommene Rest kann als » Baureliquie « pars pro toto die Erinnerung an einen früheren Bau wachhalten, oder, etwa durch Verweise auf histori­ sche Ereignisse, darüber hinaus inhaltliche Dimensionen eröff­ nen.529 In jedem Fall aber erhält das Objekt im neuen Kontext zusätzlich zu seiner materiellen Faktizität eine neue Bedeutung, sei sie nun funktionaler, ästhetischer oder symbolischer Natur – Ebenen, die zumeist eng miteinander verknüpft sind. Reizvoll und für unseren Kontext nicht ohne Relevanz ist die Überlegung, die Spolienverwendung mit einer gleichsam zerstückelten Wahr­ nehmung von Geschichte und Vergangenheit zu verknüpfen, wie das Arnold Esch in seiner grundlegenden Studie zum Thema ge­ tan hat : » Das Mittelalter, das den einzelnen antiken Bau als Ru­ ine weder zu genießen noch auch nur abzubilden vermochte, er­ füllte schon damit die Voraussetzung, die Antike gerade in ihrer Zerstückelung und Vereinzelung zu ergreifen. «530 Spolien sind also Fragmente, materielle Reste des Vergange­ nen, manchmal auch konkret fassbarer historischer Momente, die als Bestandteile eines ursprünglich ganzen, nunmehr zer­ teilten Textes im neuen Zusammenhang einen neuen Text mit­ schreiben. Voraussetzung für eine solche Wirksamkeit der Spo­ lie ist jedoch die Signifikanz ihrer Differenz : Durch materielle und formale Unterscheidung von ihrer Umgebung werden das Alter und damit verbunden die Ursprünglichkeit der Spolie zum Ausdruck gebracht und auf den neuen Kontext übertragen. Die Spolie dient dann der Sichtbarmachung, Herstellung oder Legiti­ mation historischer Kontinuität, der Erinnerung und Vergegen­ wärtigung, der Nobilitierung des Neuen durch das originale Alte, das dergestalt ausgewiesene und fokussierte Authentische. Gegen die Verwendung des Begriffs Spolie, der durch die kunsthistorische und archäologische Erforschung fragmentier­ ter und translozierter Bauteile in der antiken, frühchristlichen und mittelalterlichen, bisweilen auch frühneuzeitlichen Archi­ tektur geprägt wurde, lassen sich hier allerdings Einwände fest­ machen. Bei näherer Betrachtung nämlich verschwimmen gerade im 19. Jahrhundert die Grenzen zu anderen Verfahren der Dislo­ zierung und Neukontextualisierung von Objekten. So mischen 176 Herrschaft der Dinge
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Kreuzenstein Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Kreuzenstein
Untertitel
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Autor
Andreas Nierhaus
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79557-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
258

Inhaltsverzeichnis

  1. Zerlegung einer Zeitmaschine 9
  2. 1 Mittelalterbilder 21
    1. Ritter – Burg 24
    2. Modernisierungen 41
    3. Die Burg im Garten 43
    4. Die Burg als Monument 48
    5. Die Burg als Zeitvertreib 56
    6. Die Burg am Ende 62
  3. 2 Eine moderne Burg 65
    1. Der Sammler 67
    2. Bauherr und Bauhütte 78
    3. Wiederaufbau 86
    4. Außenansichten 111
    5. Interieurs 129
    6. Der imaginäre Bewohner 166
    7. Frühe Besucher 171
  4. 3 Herrschaft der Dinge 173
    1. Fragmentierung und Rekonstruktion 175
    2. Objet ancien und Objet trouvé 177
    3. Alter und Authentizität 180
    4. Zerstreuung und Sammlung 183
    5. Moderne Spolien 187
  5. 4 Mediale Korrespondenzen 195
    1. Fotografie 197
    2. Heterotopie, Themenpark 201
    3. Tableau vivant, Panorama, Historienbild 205
    4. Film 211
    5. Zusammenfassung 220
    6. Anmerkungen 224
    7. Literatur 238
    8. Abbildungsnachweis 248
    9. Register 249
    10. Dank 256
    11. Inhalt
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