Seite - 185 - in Kreuzenstein - Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
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Museumsräume wirkten, und umgekehrt die musealen Interi
eurs in Kreuzenstein den Anschein von Wohnräumen vermitteln,
dann sind das zwei Aspekte derselben Geschichte.
Deutlich wurde diese Musealisierung des Wohnens auch in
den zeitgenössischen kulturgeschichtlichen Museen.560 Das nach
Entwürfen Gabriel von Seidls 1892 – 1900 errichtete Bayerische
Nationalmuseum in München erhielt durch Rudolf Seitz eine
Ausstattung, die jener von Kreuzenstein konzeptionell auffäl
lig nahesteht.561 Die Objekte wurden in Sälen präsentiert, die als
historische Wohn und Repräsentationsräume inszeniert waren,
formal mit den Ausstellungsstücken übereinstimmten und den
Charakter des Musealen nach Möglichkeit verbargen. Um den
» authentischen « Eindruck und die suggestive » historische « Wir
kung zu steigern, wurden originale und kopierte Bauteile, Holz
decken, Wandverkleidungen etc. integriert.562 〚 116 〛 Auch die Säle
des von Gustav Gull in Anlehnung an mittelalterliche Burgen ent
worfenen, 1898 eröffneten Schweizerischen Landesmuseums in
Zürich waren ähnlich » stimmungsvoll « arrangiert, und das vor
wiegend in mittelalterlichen Formen gehaltene Märkische Mu
seum in Berlin, 1908 eröffnet, wurde von seinem Architekten
Ludwig Hoffmann gar als » Stimmungsmuseum « bezeichnet –
beinahe, als sei hier die » Stimmung « selbst ausgestellt.563 Wie in
Kreuzenstein treten dadurch die einzelnen Sammlungsobjekte
gegenüber dem mit Absicht » überwältigenden « Gesamteindruck
zurück. Es kommt aber auch eine bemerkenswerte Verschiebung
im Umgang mit den Dingen zum Vorschein : Die durch die Wis
senschaft klassifizierten Objekte, in den frühen Kunstgewer
bemuseen noch streng systematisch, gleichsam » naturwissen
schaftlich « geordnet aufgestellt, sind hier in einen vermeintlich
» ursprünglicheren « Kontext gebettet ; die durch die Wissenschaft
in ihre Bestandteile zersplitterte, fragmentierte Kultur und Ge
schichte sind hier wieder vereint. An dieser Stelle bietet sich ein
〚 114 〛 Freskensaal im Palais Lanckoroński in Wien 185Zerstreuung
und Sammlung
Kreuzenstein
Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Kreuzenstein
- Untertitel
- Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne
- Autor
- Andreas Nierhaus
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2014
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79557-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 258