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findet und schließlich in Vergessenheit gerät. Absolut verpönt sind
die Weitergabe oder gar der Verkauf von Warez an Außenstehende.
Auch das Veröffentlichen fremder Releases unter eigenem Namen
wird als anrüchig angesehen. Zudem sind auch diejenigen Gruppen
vom Aussterben bedroht, die in der Szene immer weniger Releases
haben und somit ihren Namen nicht weitertragen können.
Diese Struktur verdeutlicht, daß nicht der finanzielle Nutzen im
Vordergrund stehen kann. Kriminelle Vereinigungen, die Profit aus
ihrem Tun schlagen, erlassen keine strikten Richtlinien, um einen
fairen Wettkampf zu gewährleisten. Eine organisierte Verbrecher-
versammlung,die festlegt,mit welchen Werkzeugen man Türen auf-
brechen darf und mit welchen nicht,um am Ende dem Besten unter
ihnen die verdiente Anerkennung zukommen zu lassen, wäre un-
denkbar. In der Release-Szene ist eine solche Vorgehensweise dage-
gen üblich. Es hat immer wieder gemeinsame Beschlüsse führender
Release Groups gegeben, um Regeln zu aktualisieren und Vorschrif-
ten an neue Gegebenheiten anzupassen.6 Im März 2004 beispiels-
weise verabschiedeten die führenden Mitglieder der Release Groups
Class, Myth und Divine unter dem Namen NSA (Network Software
Association) ein detailliertes Regelwerk.7
Für viele Mitglieder ist die Szene zum digitalen Alltag geworden.
Die meisten führen dabei eine Art Doppelleben. Auf der einen Seite
sind sie normale Studenten oder gewöhnliche Angestellte mit Fa-
milie. Auf der anderen Seite, in der virtuellen Welt, sind sie vielbe-
wunderte Mitglieder berühmter und weltweit agierender Release
Groups. Auf der Straße oder im Supermarkt erkennt sie niemand,
doch sobald sie über ihren Computer die Welt der Szene betreten,be-
gegnen ihnen Menschen mit Respekt und Bewunderung.Sie sind die
Stars der digitalen Szene.Einige von ihnen haben sich einen derarti-
gen Ruhm erarbeitet,daß sie mittlerweile als Szenegötter angesehen
werden.Bereits die Behauptung,eine dieser Leitfiguren persönlich zu
kennen, kann einem Einsteiger die Aufnahme in eine Release Group
ermöglichen.
55KOPIE
DER KOPIE DER
KOPIE54
No Copy
Die Welt der digitalen Raubkopie
- Titel
- No Copy
- Untertitel
- Die Welt der digitalen Raubkopie
- Autoren
- Jan Krömer
- Evrim Sen
- Verlag
- Tropen Verlag
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 2007
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 3-932170-82-2
- Abmessungen
- 13.9 x 19.0 cm
- Seiten
- 314
- Schlagwörter
- Raubkopie, Werk, Digitalisierung, Vervielfältigung, Privatgebrauch
- Kategorien
- Medien
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- 1. DIE GESCHICHTE DER SCHWARZKOPIE
- 2. KOPIE DER KOPIE DER KOPIE
- 3. ALL YOU CAN EAT
- 4. DIE KUNST DES CRACKENS
- 5. CRACKERETHIK
- 6. RAUB, KOPIE, PHILOSOPHIE
- 7. IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL
- 8. DAS IMPERIUM UND SEINE REBELLEN
- 9. AUFRUHR IM SYSTEM
- NACHWORT 256
- INTERVIEWS
- GLOSSAR 279
- ANMERKUNGEN 290