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Das Prinzip ähnelt einem Hobbybastler, der monatelang an der
Miniatur eines Modellschiffs arbeitet.Täglich findet er neue Details,
die einer weiteren Verfeinerung bedürfen. Das Ziel ist nicht die Fer-
tigstellung des Ganzen, sondern die Arbeit an den Einzelteilen. Die
ständige Verbesserung des Modells steht im Vordergrund. Dies er-
innert an die ersten Hacker am MIT, die Mitglieder des Modelleisen-
bahnclubs TMRC. Auch sie bastelten und »hackten« tagelang an
ihrem System, bis schließlich eine eigene Philosophie entstand, die
sich heute Hackerkultur nennt. Wikipedia ist genauso ein Phäno-
men, das zeigt, wie sich die Computerfreaks daran erfreuen, die
Arbeit anderer Menschen fortzusetzen. Ein System nicht nur zu be-
obachten, sondern auch die Möglichkeit zu haben, direkten Einfluß
zu nehmen,erfüllt die Gemeinde in ihrer Arbeit.
KREATION
Irgendwann aber genügt die alleinige Verbesserung den Bedürnissen
eines Programmierers nicht mehr. Er strebt danach, Neues zu er-
schaffen. Als der Musiksender MTV 1993 einen bestimmten Musik-
clip im TV zeigte, war die Begeisterung in der Crackerszene groß. Es
handelte sich um das Werk State of the Art der Szenegruppe Space-
balls. Den dazugehörigen Musiktitel Condom Corruption hatte das
Szenemitglied Travolta komponiert.42
Die Entwicklung animierter Clips geht auf die Cracker der 80er
Jahre zurück.Damals gaben sich einige Cracker besonders viel Mühe,
kleine Vorspanne (Cracktros) in ihre gecrackte Software einzubauen.
Sie manifestierten damit ihren Namen und signalisierten dem Nut-
zer der Kopie, wem er den Crack zu verdanken hatte. Parallel zur
Crackerszene entstand aus dieser Tätigkeit eine neue, legale Szene,
die Demoszene.Statt Software zu cracken,erstellte sie nur noch der-
artige Cracktros.
Bis heute ist die Demoszene eine der größten Vereinigungen
der digitalen Computerkunst. Ihre Mitglieder erschaffen sogenannte
Demos, die kleinen Videoclips ähneln und mit multimedialen Effek-
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No Copy
Die Welt der digitalen Raubkopie
- Titel
- No Copy
- Untertitel
- Die Welt der digitalen Raubkopie
- Autoren
- Jan Krömer
- Evrim Sen
- Verlag
- Tropen Verlag
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 2007
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 3-932170-82-2
- Abmessungen
- 13.9 x 19.0 cm
- Seiten
- 314
- Schlagwörter
- Raubkopie, Werk, Digitalisierung, Vervielfältigung, Privatgebrauch
- Kategorien
- Medien
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- 1. DIE GESCHICHTE DER SCHWARZKOPIE
- 2. KOPIE DER KOPIE DER KOPIE
- 3. ALL YOU CAN EAT
- 4. DIE KUNST DES CRACKENS
- 5. CRACKERETHIK
- 6. RAUB, KOPIE, PHILOSOPHIE
- 7. IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL
- 8. DAS IMPERIUM UND SEINE REBELLEN
- 9. AUFRUHR IM SYSTEM
- NACHWORT 256
- INTERVIEWS
- GLOSSAR 279
- ANMERKUNGEN 290