Seite - 243 - in No Copy - Die Welt der digitalen Raubkopie
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nicht, dem so erfolgreichen Medium den Rücken zu kehren. Für sie
stand fest,daß Musik nur als CD im Laden gekauft werden dürfe.
Dies widersprach zutiefst dem Wesen des neuen Mediums Internet,
das sehr stark die Individualität der Konsumenten betonte. Diese
wollten Musik kaufen und hören,ohne örtlich gebunden zu sein.Die
Musikindustrie wollte aber ein derartiges Mitbestimmungsrecht der
Kunden nicht akzeptieren, sondern vielmehr die Bedingungen für
die Nutzung von Musik diktieren.
Die Musikbranche versuchte, sich der Internetrevolution zu ver-
weigern und wurde gerade deswegen von ihr überrollt. Die Umsätze
brachen ein, die CD als Medium für Musik wurde immer unbedeu-
tender.Zudem war auch die Umstellung der Haushalte von Vinyl auf
CD beendet.Die Musikindustrie konnte nicht länger von jenen »Dop-
pelkäufen« profitieren, die ihre Gewinne in den vorhergehenden
fünfzehn Jahren in beispiellose Höhen getrieben hatten.
Rückblickend erkennen inzwischen auch die Plattenfirmen ihre
damaligen Fehler an. Der Europachef von SonyBMG, Maarten Stein-
kamp, räumte in einer Fernsehdokumentation ein Managementpro-
blem ein: »Wir haben die Veränderungen auf dem Markt viel zu spät
erkannt,und als wir endlich reagiert haben,wollten wir unseren Be-
sitzstand verteidigen,anstatt nach neuen Lösungen zu suchen.«40
SYSTEM NICHT GEFUNDEN
Bereits 1995 versuchte Karlheinz Brandenburg,einer der Erfinder des
MP3-Formats, Kontakt zur Musikindustrie aufzunehmen, um sie bei
den anstehenden Herausforderungen zu beraten. Dort stieß er je-
doch, wie er dem Online-Magazin momag.net berichtete, auf »höfli-
ches,aber bestimmtes Desinteresse«.41 Etwas aufmerksamer wurden
die Plattenfirmen erst, als ihre Musik plötzlich völlig umsonst im
Internet kursierte. Zunächst waren es vor allem amerikanische Stu-
denten,die ihre CD-Sammlungen in MP3-Dateien umwandelten und
zum Download bereitstellten. Angesichts der rechtlichen Hürden
zogen sich viele der neuen MP3-Freaks in den digitalen Untergrund
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IM
SYSTEM242
No Copy
Die Welt der digitalen Raubkopie
- Titel
- No Copy
- Untertitel
- Die Welt der digitalen Raubkopie
- Autoren
- Jan Krömer
- Evrim Sen
- Verlag
- Tropen Verlag
- Ort
- Leipzig
- Datum
- 2007
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 2.0
- ISBN
- 3-932170-82-2
- Abmessungen
- 13.9 x 19.0 cm
- Seiten
- 314
- Schlagwörter
- Raubkopie, Werk, Digitalisierung, Vervielfältigung, Privatgebrauch
- Kategorien
- Medien
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- 1. DIE GESCHICHTE DER SCHWARZKOPIE
- 2. KOPIE DER KOPIE DER KOPIE
- 3. ALL YOU CAN EAT
- 4. DIE KUNST DES CRACKENS
- 5. CRACKERETHIK
- 6. RAUB, KOPIE, PHILOSOPHIE
- 7. IM PARAGRAPHENDSCHUNGEL
- 8. DAS IMPERIUM UND SEINE REBELLEN
- 9. AUFRUHR IM SYSTEM
- NACHWORT 256
- INTERVIEWS
- GLOSSAR 279
- ANMERKUNGEN 290