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re lebensweltliche Kontexte hinein. Die Grenzen zwischen Wirtschaft und büro-
kratisierter Staatsverwaltung, privaten Lebenssphären (Familie, Nachbarschaft,
freie Assoziationen) und Öffentlichkeit (der Privatleute und der Staatsbürger)
(Habermas, 1995: S. 458) sind durchlässig. Innerhalb bzw. trotz der rechtlichen
Regelungen sind Beziehungen moralisierbar (ibd., S. 460), d.h. verhandelbar.
Politik ist somit in einem weiteren Sinne das, was an laufenden Aushandlungs-
prozessen zwischen Mitgliedern von Organisationen, zwischen einem rechtlich
geregelten Rahmen und Lebenswelten, zwischen Herrschaftsstrukturen und
Machtverhältnissen stattfindet.
Governance beschreibt insofern die vielfältigen Möglichkeiten, Entscheidun-
gen zu treffen, als kein eindeutiges Macht- und Deutungszentrum – traditionell
verkörpert als die staatliche Obrigkeit – mehr erkennbar ist. Mark Bevir und Rod
Rhodes haben dafür das Konzept der „Decentredness“ entwickelt (Bevir, Rho-
des, 2010: S. 73). Unterscheidungen zwischen öffentlich und privat sind damit
auch nicht mehr trennscharf, wenn Governance den Fokus auf Verhandlung,
Kooperation und Koordination und damit auf die veränderlichen Beziehungen
zwischen staatlichen und privaten AkteurInnen richtet (Hajer, Wagenaar, 2003:
S. 7).
Die Veränderung der Staatlichkeitskonzepte zeigt sich somit in den Struktu-
ren, in denen der Staat in einem Abhängigkeitsnetzwerk in unterschiedlichen
Rollen agiert. Dies ist im Bereich der Kulturpolitik etwa der Fall, wenn staatli-
che AkteurInnen im Rahmen der nicht-hoheitlichen Kulturverwaltung als Unter-
nehmer, Auftraggeber, Förderverwalter und als Dienstgeber handeln. Damit
wechseln sie zwischen unterschiedlichen Handlungslogiken, erzeugen und tref-
fen auf Konflikte, schließen Kompromisse und brechen sie wieder (Boltanski,
Thévenot, 2014). Die Beziehungen zwischen Staat, staatlichen Organisations-
einheiten (Behörden), Einrichtungen in staatlichem Besitz und (Teil-)Öffentlich-
keit(en) sind damit spannungsvoll und hochkomplex.
Hinzu kommt, dass der Staat über seine hoheitlichen Instrumente (Recht-
sprechung, Gesetzgebung) die Aufgabe hat „in Konflikte regulativ und vermit-
telnd einzugreifen“ (Zembylas, 2004: S. 166-167) und gleichzeitig eine mög-
lichst pluralistische Öffentlichkeit fördern und konstituieren soll, die auch Kritik
und Widerstand produziert.
Die Daseinsvorsorge, für die es in Österreich keine positivrechtlich ableitbare
Definition gibt (Pürgy, 2009: S. 399), ist eine weitere, gemeinwohlorientierte
Rolle des Staats, insbesondere der Kommunen. Zur Daseinsvorsorge zählen „je-
ne Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse erbracht werden, mit Gemein-
wohlverantwortung verbunden sind und als wesentlich für das Funktionieren ei-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293