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Theoretische Situierung | 47
zivilgesellschaftlicher Organisationen (z.B. Gewerkschaften) als intermediäre
Instanzen der repräsentativen Demokratie diagnostizieren Leggewie und Nanz
einen „Partizipationsstau“. Nach dieser Einschätzung möchte sich ein signifikan-
ter Anteil der Bevölkerung gerne an der politischen Suche von Lösungen für sie
betreffende Probleme beteiligen, findet aber zu Parteien und anderen intermediä-
ren Organisationen keinen Zugang beziehungsweise sieht diese nicht mehr als
Vetreter seiner sozialen Anliegen und Interessen. Hier wird die Frage relevant,
wie eine vorausgesetzte politische Beteiligungsmotivation in geeignete Verfah-
ren und Institutionen überführt werden kann. Wie kann die öffentliche Sphäre,
Jürgen Habermas folgend, repolitisiert werden? Und wie kann diese Repolitisie-
rung dazu beitragen, dass Konflikte ohne illegitime Gewaltanwendung ausgetra-
gen werden?
3.1.1 Demokratie als Experiment
Eine Möglichkeit liegt darin, wie bereits Sartori andeutet, Versuch und Irrtum zu
integieren, einen experimentell-pragmatischen Weg einzuschlagen (denn wenn
man darauf verzichtet, so Sartori, „stellt man die Weichen einfach auf Mißlin-
gen“ (Sartori, 2006: S. 263)). John Dewey beschreibt in seinem 1916 erschienen
Werk „Demokratie und Erziehung“ (Democracy and Education) einen solchen
Weg, der über die Bildung führt und später als „demokratischer Experimentalis-
mus“ (Brunkhorst, 1998: S. 7) beziehungsweise „demokratische Experimentier-
gemeinschaft“ (Kettner, 1998: S. 62) bezeichnet wurde. Dewey notiert 1916 über
die experimentelle Methode:
„It will doubtless take a long time to secure the perception that it holds equally as to the
forming and testing of ideas in social and moral matters. Men still want the crutch of
dogma, of beliefs fixed by authority, to relieve them of the trouble of thinking and the
responsibility of directing their activity by thought.“ (Dewey, 1916: S. 394)
Eine kritisch-forschende Haltung und ein gemeinsames experimentelles Lernen
ist demnach die Grundlage für eine Weiterentwicklung der Demokratie. Ziel der
Dewey’schen fortschrittlichen Bildungsbewegung (als „progressive education
movement“ bekannt) ist, dass Menschen ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen
selbst kontrollieren und politisch partizipieren – also selbstständig und urteilsfä-
hig werden, indem sie die Phänomene ganzheitlich betrachten. Die moderne Ar-
beitsteilung unterbricht diese Erfahrung. Dewey spricht dabei die Bedürfnisse al-
ler sozialen Klassen an. Demokratie ist nach Dewey nicht nur und ausschließlich
eine Regierungsform, sondern ein soziales und individuelles Ideal – ein Attribut
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293