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48 | Cultural Governance in Österreich
nicht nur von politischen Institutionen, sondern auch von sozialen Beziehungen
in unterschiedlichen Sphären, auch in Wirtschaft und Zivilgesellschaft (Dewey,
1888). In einem erstmals 1927 erschienenen Essay spricht sich Dewey explizit
gegen eine Expertokratie beziehungsweise Oligarchie aus:
„No government by experts in which the masses do not have the chance to inform the ex-
perts as to their needs can be anything but an oligarchy managed in the interests of the
few. And the enlightment must proceed in ways which force the administrative specialists
to take account for the needs. The world has suffered more from leaders and authorities
than from the masses. The essential need, in other words, is the improvement of the me-
thods and conditions of debate, discussion and persuasion. That is the problem of the
public.“ (Dewey, 2012: S. 155)
Diese enge Verbindung zwischen Bildung (als gemeinsamem Lernprozess) und
Meinungsbildung (als Urteilsfähigkeit) in deliberativen Prozessen wird von Ver-
treterInnen des US-amerikanischen demokratischen Experimentalismus wie
Frank Fischer und Robert B. Reich unter dem Motto „deliberative policymaking
as civic discovery“ (Fischer, 2003: S. 206) aufgegriffen. Jürgen Habermas ver-
weist darauf, dass die deliberative Politik „ihre legitimierende Kraft aus der dis-
kursiven Struktur einer Meinungs- und Willensbildung, die ihre sozialintegrative
Funktion nur dank der Erwartung einer vernünftigen Qualität ihrer Ergebnisse
erfüllen kann“, gewinnt (Habermas, 1992: S. 369). Es geht um beide Dimensio-
nen, Verfahrens- und Ergebnisqualität:
„It is no linguistic accident that ‚building‘, ‚construction‘, ‚work‘ designate both a process
and its finished product. Without the meaning of the verb, the noun remains blank.“ (De-
wey, 1934: S. 53)
Es ist notwendig, dass BürgerInnen über ein gewisses Maß an Bildung verfügen,
um politische Prozesse und Probleme nachvollziehen zu können. Mayne und
Geissel folgend, steigen die Ansprüche an politische (kommunikative, kognitive)
Fähigkeiten, umso intensiver der Partizipationsgrad ist. Eine partizipative, de-
liberative Methode kann daher zum Machtmittel werden, wenn sie selbst zum
Spezialistentum wird, das nicht allen Menschen zugänglich ist, sondern be-
stimmter (hoher) Voraussetzungen, Fachkenntnisse, Qualifikationen bedarf. Ein
genauer Blick darauf, wie öffentliche Meinungsbildungsprozesse verlaufen (d.h.
Aufmerksamkeit auf deren normative Qualität) ist daher von größter Bedeutung.
Es reicht nicht aus, den Blick allein auf die Ergebnisqualität zu richten und da-
nach zu urteilen, ob der intendierte Zweck (beispielsweise die soziale Akzeptanz
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293