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Theoretische Situierung | 49
einer politischen Entscheidung) erfüllt wurde. Auf Verfahrensebene geht es da-
rum, wie in deliberativen Prozessen wie viel kommunikative Macht von wem er-
zeugt wird, die dann „einerseits zum sozialen Machtpotential glaubwürdig dro-
hender Aktoren und andererseits zur administrativen Macht von Amtsinhabern in
Konkurrenz tritt“ (Habermas, 1992: S. 415). Dieses Konkurrenzverhältnis ist
entscheidend, um zu ausgewogeneren Entscheidungen zu kommen. Daher geht
es nicht nur um die Perspektive der Herrschenden, auch wenn sie als professio-
nelle PolitikerInnen durch demokratische Wahlverfahren stellvertretend für die
Bevölkerung zum Herrschen legitimiert und damit ermächtigt wurden, im Na-
men von einer Gruppe bzw. einem Volk zu handeln (Arendt, 2006: S. 87). Es
geht insbesondere, um mit Dewey zu sprechen, um die eigene Erfahrung, d.h. die
vom Staat definierten möglichen Handlungsräume und nötigen Grenzen, sich als
Menschengruppen und Individuen „im öffentlichen Leben zeigen“ (Arendt,
2003: S. 69), mitsprechen und mithandeln zu dürfen, zu ermächtigen bzw. Macht
zu verleihen. Miteinander zu reden ist dabei essentiell, um Entscheidungen
(Handeln, Taten) öffentlich zu legitimieren. Umgekehrt ist Geheimhaltung und
unvermittelte Tat ein herrschaftlicher Gewaltakt:
„Taten, die nicht von Reden begleitet sind, verlieren einen großen Teil ihres Offenba-
rungscharakters, sie werden unverständlich, und ihr Zweck ist gemeinhin, durch Unver-
ständlichkeit zu schockieren oder, wie wir sagen können, durch die Schaffung vollendeter
Tatsachen alle Möglichkeiten einer Verständigung zu sabotieren.“ (Arendt, 2006: S. 180)
Das Handeln und Reden unter Ausschluss einzelner Gruppen oder der gesamten
Öffentlichkeit ist mithin instrumentelles politisches Handeln und damit ein Phä-
nomen von Herrschaft und Gewalt, die, wenn sie übermächtig wird, „auf Kosten
aller anderen politischen Faktoren“ (Arendt, 2006: S. 95) geht. Nicht nur über
die Ermächtigung durch viele, d.h. eine unkritische Masse (über Abstimmun-
gen), sondern auch durch den Widerstand weniger kann kommunikative Macht
als Konkurrenz zu administrativer Gewalt (Habermas folgend) erzeugt werden.
Wenn der Zweck, das strategische Interesse von Politik, sehr verschieden
ausfällt, so sind doch der gemeinsame Sinn und Inhalt von Politik die Freiheit als
„Bewegungsfreiheit“ (Arendt, 2003: S. 52) und „Freiheit, mit den Vielen redend
zu verkehren“. Diese Freiheiten sind nicht allen Menschen in gleichem Maße
zugestanden – Bürgerrechte wie das Wahlrecht sind an staatlich definierte Vo-
raussetzungen geknüpft, Teilnahmemöglichkeiten an Kommissionen, Juries so-
wie Gremien an fachliche Expertise und Empfehlungen. Hierbei geht es um in-
stitutionelle Diskriminierung. Mitsprache hängt aber auch von Fähigkeiten ab,
auch vom Beherrschen einer Sprache bzw. sprachlicher Codes, die auch von
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293