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Theoretische Situierung | 51
Dabei darf nicht übersehen werden, dass zur realen Demokratie Emotionen,
Konflikte, Täuschungen, Irrtümer gehören. Die BürgerInnen bilden eben keine
moralisch integre ideale Diskursgemeinschaft, ebenso wie die PolitikerInnen
nicht unfehlbar sind. Chantal Mouffe spricht hier vom demokratischen Paradox
(Mouffe, 2000). In jüngster Zeit kommt hinzu, dass wir es in politischen Ent-
scheidungsprozessen nicht nur mit Menschen zu tun haben, sondern auch mit
Maschinen, etwa sogenannten Social Bots, die in sozialen Netzwerken wie Fa-
cebook oder Twitter oder dem Kommentarbereich von Online-Medien aktiv sind
und dort eigenständig formulieren, auf bestimmte Schlagworte antworten oder
Nachrichten (Tweets) weiterleiten. Diese Maschinen greifen aktiv in kollektive
politische Entscheidungsprozesse ein (etwa Wahlen). Zu diesem neuen Phäno-
men gibt es bislang noch kaum Forschung, allerdings wird ihm das Potential zu-
erkannt, das Vertrauen in Demokratie zu unterlaufen (Beuth, 2017).
3.1.2 Demokratie und Konflikt
Kontingenz und Konflikt sind Merkmale des Sozialen (Marchart, 2013: S. 32).
Konflikte müssen dabei nicht die Form von offenen, gewalttätigen Auseinander-
setzungen annehmen. Sie können dem politischen Philosophen Oliver Marchart
zufolge durchaus zu
„halbwegs stabilen Strukturen gerinnen, wenn auch immer nur vorübergehend. Denn sie
bleiben in diesen Strukturen – Ritualen, Institutionen, geregelten Funktionsabläufen, Kräf-
teverhältnissen, Subjektivierungsformen – aufgespeichert und können oft durch geringste
Veränderungen reaktualisiert werden.“ (Marchart, 2013: S. 33)
Offene Demokratien zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich der eigenen Kon-
flikthaftigkeit stellen. Konflikte dienen als Kontaktzonen, in denen kommunika-
tive Auseinandersetzung, Bewegung, möglich ist. Wenn sich einzelne kollektive
AkteurInnen diesen kommunikativ ausgetragenen Konflikten entziehen, gibt es
keine Kontaktzonen der Auseinandersetzung, und sogenannte „Echokammern“
(Sunstein, 2001) können entstehen, geschlossene Kommunikationsräume, in de-
nen nur das widerhallt, was den Haltungen der Gruppe bzw. Sozialen Welt ent-
spricht.
Jürgen Habermas weist auf das „unauflösliche Spannungsverhältnis“ zwi-
schen den beiden Integrationsprinzipien Kapitalismus und Demokratie (Haber-
mas, 1981: S. 507) hin.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293