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64 | Cultural Governance in Österreich
„das Substrat jenes allgemeinen, aus der Privatsphäre gleichsam hervortretenden Publi-
kums von Bürgern, die für ihre gesellschaftlichen Interessen und Erfahrungen öffentliche
Interpretationen suchen und auf die institutionalisierte Meinungs- und Willensbildung Ein-
fluß nehmen. “ (Habermas, 1992: S. 444)
Dieses wechselseitige Verhältnis zwischen Politik und Öffentlichkeit beschreibt
auch eine Transformation des Politischen – von Government zu Governance.
Government steht dabei für das traditionelle, hierarchisch-bürokratische, obrig-
keitsstaatliche Handeln: Der Staat formuliert Ziele und setzt Aktionen zu deren
Erreichung, ohne besondere Berücksichtigung der Zivilgesellschaft und der öf-
fentlichen Meinung. Eine Weiterentwicklung ist die Kooperation des Staats mit
nichtstaatlichen, privaten oder kirchlichen Organisationen zur Erreichung seiner
Ziele (Grande, 2012: S. 566-567). Die Kooperation ermöglicht somit einerseits
die Ausdehnung des staatlichen Handlungsrahmens. Auf der anderen Seite
kommen andere AkteurInnen ins politische Spiel, die ihrerseits – durch Koopera-
tion miteinander bzw. mit staatlichen Institutionen – ihren Einfluss potentiell
vergrößern können. Governance kann sich in Bereichen abspielen, in denen es
möglich ist, dass der Staat sowohl die Ziele mit der Zivilgesellschaft entwickelt
und koordiniert als auch in der Umsetzung kooperiert.
Der Begriff der Herrschaft, nach Max Weber relational als „Chance, für spezifi-
sche (oder: für alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehor-
sam zu finden“ (Weber, 1922: Abs. 122) definiert, bezieht sich als Konzept auf
die Ausübung politischer bzw. administrativer Macht. Tasos Zembylas be-
schreibt, dass es entscheidend für die Stabilisierung der Herrschaft ist, inwieweit
sie sozial akzeptiert bzw. legitimiert ist:
„Herrschaft ist instabil, weil selbst innerhalb der Herrschaftseliten überall Gefahr lauert –
vom Widerstand der Opposition ganz zu schweigen. Ein bestimmter Herrschaftstypus
kann sich jedoch stabilisieren, wenn es ihm durch soziale Akzeptanz gelingt, Legitimation
zu erlangen.“ (Zembylas, 2004: S. 54)
Dieser Zustand, als „soziale und kulturelle Hegemonie“ (Zembylas, 2004: S. 54)
beschrieben, wird durch Machtasymmetrie und spezifische, subtile und offen-
sichtliche Herrschaftstechniken erzeugt. Vor diesem Hintergrund liegt die An-
nahme nahe, dass Governance kein Konzept zur Überwindung von Herrschafts-
techniken ist, auch wenn es die normativen Begriffe, mit denen es konnotiert ist
– Partizipation, Kooperation, Zusammenwirken, Gemeinschaft, Netzwerke, Ver-
handlungen, Dialog – suggerieren. Es transformiert Herrschaft, indem subtile
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293