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Theoretische Situierung | 65
Herrschaftstechniken in komplexen Beziehungsgefügen entwickelt werden.
Governance-Elemente können instrumentell eingesetzt werden, um Herrschaft
zu transformieren und ihr eine gewisse Legitimationsbasis zu verschaffen. So
können einzelne zivilgesellschaftliche AkteurInnen etwa durch die Instrumenta-
lisierung von Partizipationsverfahren zu ‚Komplizen‘ der staatlichen Politik
werden.
Vereinfacht gesagt ergänzt Governance demnach das Top-down-Regieren
des Governments um kooperative Handlungsformen, in denen vielschichtige Be-
ziehungen, unterschiedliche Modi der Konfliktregulierung sowie formelle und
informelle Kommunikations- und Interaktionsprozesse stattfinden. Dazu gehören
auch mobilisierende Techniken, um zivilgesellschaftliche Gruppen in Diskussio-
nen einzubeziehen. Andererseits versuchen zivilgesellschaftliche Vereinigungen,
Organisationen und Bewegungen „die Resonanz, die die gesellschaftlichen Prob-
lemlagen in den privaten Lebensbereichen finden“ (Habermas, 1992: S. 443),
aufzunehmen, zu kondensieren und „lautverstärkend an die politische Öffent-
lichkeit“ (ibd.) weiterzuleiten. Bürgerbeteiligung sollte daher weder als ein
Heilmittel für sämtliche gesellschaftliche Probleme idealisiert werden, noch soll-
te deliberative und argumentative Politikentwicklung darüber hinwegtäuschen,
dass bestehende Machtverhältnisse und Interessenträger effektiv auf Prozesse
Einfluss nehmen (Fischer, 2003: S. 220). Dennoch hat Deliberation das Potenti-
al, neue Ideen und neue Interessen in die Arena einzubringen:
„But it does hold out the possibility of bringing forth new knowledge and ideas capable of
creating and legitimizing new interests, reshaping our understanding of existing interests
and, in the process, influencing the political pathways along which power and interests
travel.“ (ibd.)
Mit Jürgen Habermas sei nochmals auf die Bedeutung der Verfahrensqualität als
einer „gemeinsam befolgten Kommunikationspraxis“ (Habermas, 1992: S. 438)
hingewiesen. Im Bereich der Kulturverwaltung ist grundsätzlich ein kooperativer
und deliberativer Modus der Politikgestaltung möglich und legitim, der zu einer
qualifizierten Meinungsbildung und damit zu normativ besseren (da gründlich
abgewogenen) Entscheidungen beitragen kann. Die Transformation des Verhält-
nisses von Staat und Zivilgesellschaft, von Government zu Governance, ist somit
ein laufender Aushandlungsprozess, der eng mit der politischen Kultur zusam-
menhängt. Dieser Beratungs- und Aushandlungsprozess ist von laufenden Kon-
flikten, Verhandlungen und Machtkämpfen geprägt, die in stabilen, demokra-
tisch verfassten Gesellschaften wie der deutschen oder der österreichischen ka-
nalisiert und nicht wie in autoritären oder faschistischen Regimen unter Terror
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293