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oder „moments of achievement“ (Dewey, 1929: S. 59)), als auch Transzendenz,
die in die Zukunft gerichtete Zieleorientierung inne. Sogenannte Micropolitics,
Zeitabhängigkeit, Ambiguität, Intersubjektivität, Macht und Interessenskonflikte
sind dabei „nicht nur universell verbreitet, sondern auch notwendig, um Steue-
rungslücken in schlechtstrukturierten, komplexen Entscheidungssituationen
überbrücken zu können“ (Schwarz, 2008: S. 89).
Gerade in politischen Situationen werden Probleme oft antizipativ konstru-
iert und in Bezug auf ihre möglichen Konsequenzen entschieden. Insofern wer-
den Situationen ebenso wie Bedeutungen konstruiert, haben aber Konsequenzen
auf Handlungsebene. Dies entspricht dem sogenannten Thomas-Theorem, dem-
zufolge Situationen in ihren Konsequenzen wirklich sind, wenn Menschen sie als
real definieren (Thomas, Thomas, 1928).
Jürgen Habermas beschreibt, dass „Kommunikation und Entscheidungen tri-
vialerweise eigene Raum- und Zeitabschnitte“ (Habermas, 1992: S. 395) beset-
zen, eigene Energie verbrauchen, einen eigenen Aufwand an Organisationsleis-
tung erfordern. Raum und Zeit sind nicht nur Bedingungen der Situation, son-
dern wirken auch implizit in der Situation, als „politics of temporality“ (Clarke
u.a., 2009: S. 246) bzw. „micropolitics of temporal coordination“ (Sharma,
2014: S. 7) oder, in der Beschreibung Doreen Masseys, als „politics and
space/time“:
„The view, then, is of space-time as a configuration of social relations within which the
specifically spatial may be conceived as an inherently dynamic simultaneity. Moreover,
since social relations are inevitably and everywhere imbued with power and meaning and
symbolism, this view of the spatial is an ever-shifting social geometry of power and signi-
fication.“ (Massey, 1994: S. 3)
Explizit politische Situationen folgen im Gegensatz zu den oft mikropolitisch
konnotierten sozialen Welten und Arenen nach Strauss und Clarke mit der Ori-
entierung am Urteil als (temporäre) Lösung einer Situation spezifischen Modi
der Rationalisierung ihres Handelns bzw. bestimmten Modi der Institutionalisie-
rung. Es ist einerseits, Adele Clarke (Clarke u.a., 2015; Clarke, 2005, 2012) fol-
gend, analytisch sinnvoll, explizit politische Situationen zu öffnen und induktiv
vorzugehen, um möglichst viele Elemente und die vielfältigen Beziehungen zwi-
schen den äußeren, geäußerten und impliziten, unsichtbaren und stummen Ele-
menten in den Blick zu nehmen – insbesondere, wenn es dabei um Fragen der
Repräsentation und Partizipation also um demokratiepolitische, normative Fra-
gen geht. Dabei darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass explizit politische
Situationen zweckgebundene Situationen sind. Zweck der gemeinsamen Invol-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293