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82 | Cultural Governance in Österreich
2012) analysiert werden – und die Beziehungen zwischen Sozialen Welten und
Rechtfertigungsordnungen als veränderliches, dynamisches Element bzw. die
„Kunst, in verschiedenen Welten zu leben“ (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 206),
Kritik zu üben, die sozialen Verhältnisse in Frage zu stellen (Differenzierung)
und gleichzeitig in ein kollektives Ganzes, ein Gemeinwesen eingebunden zu
sein. Rechtfertigungen beziehungsweise Wertzuschreibungen („orders of worth“
(Boltanski, Thévenot, 2006)) dienen AkteurInnen einerseits als Ausgangs- und
Bezugspunkt in ihrem Bemühen um Verständigung in komplexen Situationen
(Ordnung der Situation) und führen andererseits durch ihre gleichzeitige Präsenz
zu inneren und äußeren Dilemmata bzw. Konflikten. Diese Dilemmata sind als
Kritik- bzw. Störfaktoren elementar, da sie für Entwicklungen sorgen, sie for-
dern dazu auf, aktiv zu werden, etwas zu unternehmen:
„Entrepreneurship is the ability to keep multiple orders of worth in play and to exploit the
resulting ambiguity.“ (Stark, 2000: S. 5)
Aus diesem Grund ist die Figur der Kritik wesentlich, in der das Moment der
Kontingenz und die Möglichkeit und Grenzen des humanen Urteils (Boltanski,
Thévenot, 2014: S. 475) Fehlbarkeit und Wiedergutmachung, Toleranz, Reflexi-
on, Vergessen und Vergebung, unberechenbare Gefühle mitschwingt: Anders als
bei Maschinen wissen wir nicht, wie Menschen in Situationen, mit denen sie
konfrontiert sind, reagieren.
„Auch wenn die Spielräume aufgrund des Arrangements der jeweiligen Situation recht be-
schränkt bleiben, lässt ein Modell, das mehrere Welten vorsieht, den Akteuren doch die
Option, sich einer Prüfung zu entziehen. Unter Berufung auf ein äußeres Prinzip können
sie ihre Gültigkeit bestreiten oder gar durch das Heranziehen einer in einer anderen Welt
gültigen Prüfung die Situation auf den Kopf stellen. Es schließt damit die Möglichkeit der
Kritik ein, die in einer deterministischen Theoriekonstruktion keine Berücksichtigung fin-
det.“ (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 291)
Nach Jürgen Habermas bietet das
„Zusammenspiel einer zivilgesellschaftlich basierten Öffentlichkeit mit der rechtsstaatlich
institutionalisierten Meinungs- und Willensbildung im parlamentarischen Komplex (und
der Entscheidungspraxis der Gerichte) einen guten Ansatzpunkt für die soziologische
Übersetzung des Begriffs der deliberativen Politik.“ (Habermas, 1992: S. 448-449)
Die AkteurInnen sind „in konkreten Lebensformen“ sozialisiert,
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293