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84 | Cultural Governance in Österreich
Dies richtet den Fokus auf die Frage, „ob die Zivilgesellschaft über resonanzfä-
hige und autonome Öffentlichkeit derart vitale Impulse entwickelt, dass von der
Peripherie her Konflikte in das politische System“ (Habermas, 1992: S. 400)
(das sich über soziale Macht und administrative Macht erhält) hineingetragen
werden können. Es geht jedoch um mehr als den Handlungsimpuls von außen
durch eine aktive Zivilgesellschaft, die Input-Legitimacy (Schmidt, 2015). Wie
wird der Handlungsimpuls, der sich auf die normative Ebene richtet, durch die
Exekutive auf regulativer Ebene verarbeitet – wie wird politics zu policy? An
dieser Stelle stellt sich mit Verweis auf die Politikwissenschaftlerin Vivian A.
Schmidt (2015) wieder die Frage nach der Throughput-Legitimacy, also danach,
was zwischen Input und Output auf der Prozess- bzw. Governance-Ebene, auf
der Regeln und Gesetze verhandelt werden, passiert. Demzufolge ist es für die
Erkenntnisgenerierung sinnvoll, sich Cultural Governance weniger als linearen
Prozess der Entscheidungsfindung modellhaft vorzustellen (Zembylas, 2006b:
S. 21), sondern als eine komplexe Arena, in der unterschiedliche Dilemmata von
kollektiven und individuellen AkteurInnen mit Bezug zu unterschiedlichen,
gleichzeitig präsenten Sozialen Welten bzw. unter Einbeziehung unterschiedli-
cher Rechtfertigungsprinzipien verhandelt werden.
Sowohl die Soziale Welten/Arenen-Theorie als auch die Rechtfertigungstheorie
sind Konflikttheorien (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 21; Clarke, 2012: S. 50),
die die „Spannung zwischen unterschiedlichen Formen von Allgemeinheit“
(Boltanski, Thévenot, 2014) – sozialen Ordnungen und deren Herstellung in Si-
tuationen bzw. kontinuierlichen Aushandlungsprozessen – untersuchbar machen.
Ein Konflikt bzw. Streit „löst gemischte Settings, die aus Personen bzw. Dingen
bestehen, die sich als unterschiedlichen Welten zugehörig identifizieren lassen,
nicht zwangsläufig auf“ (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 367). Kompromisse sind
somit hybride Situationen, bei denen unterschiedliche Interaktionspartner die
Möglichkeit haben, Kritik aneinander zu üben, die jeweiligen Interessen jedoch
dem Gemeinwohl untergeordnet werden. Kompromisse sind also möglich, wenn
die Situationen, in denen die Personen und Dinge aus unterschiedlichen Welten
zusammentreffen, nicht „derart asymmetrisch sind, dass einer der Interaktions-
partner nach Gutdünken schalten und walten kann“ (Boltanski, Thévenot, 2014:
S. 61). Ein System, das die Möglichkeiten der Kritik, Verhandlung, gegenseitige
Kontrolle und Balance vorsieht, verhindert also das Umschlagen eines Konflikts
in Gewalt, Tyrannei und Krieg.
Eine hybride Situation eines Akteurs/Subjekts, das sowohl als BürgerIn
(Subjekt der staatsbürgerlichen Welt), als auch als Privatperson (Subjekt der
häuslichen Welt), als auch als Kundin oder Kunde (Subjekt der Welt des Mark-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293