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terreichischen Politik, das jedoch auch einer gewissen Mythisierung unterliegt
(Tálos, Karlhofer, 2000, 2005; Talós, Stromberger, 2004). Die Wirtschafts- und
Sozialverbände agierten gegenüber ihren Mitgliedern mit einem paternalisiti-
schen Gestus, ein Kontrollmechanismus, der zu einer gegenseitigen Berechen-
barkeit der Verbände und zu einer Vereinheitlichung von Interessen und damit
Befähigung zur dialogischen Verhandlung auf Mesoebene zwischen Organisati-
onen beitrug (Tálos, Karlhofer, 2000: S. 381).
Seitens des Kulturbetriebs wurde dieses sozialpartnerschaftliche Handeln so
hoch eingeschätzt, dass es Versuche gab, der Sozialpartnerschaft auch eine „Kul-
turpartnerschaft beizugeben, um auch KünstlerInnen und Kulturschaffende stär-
ker an der politischen Entscheidungsfindung zu beteiligen“ (Wimmer, 2011:
S. 191). Das Modell des Zweiparteienstaats und der informellen, intransparenten
Verhandlungen zwischen VertreterInnen der Interessensgruppen und Parteien
wurde ab den 1980er und 1990er Jahren einerseits von links (durch VertreterIn-
nen der Grünen und KPÖ sowie durch KünstlerInnen und Intellektuelle wie
Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek und Robert Menasse) kritisiert. Letztgenann-
ter spitzt die ambivalente Beziehung zwischen KünstlerInnen und Staat in Öster-
reich darauf zu, dass „österreichische Künstler ... fast nur noch als Personalunion
von Staatsfeind und Staatskünstler zu haben“ seien (Menasse 1995, zitiert nach
(Beilein, 2008: S. 62)). Andererseits trug die FPÖ unter Jörg Haider viel Kritik
am Zweiparteiensystem bei (was sie nicht davon abhielt, eine Koalition mit der
ÖVP einzugehen). Der Zugewinn der FPÖ und der Grünen an politischem Ein-
fluss sowie der europäische Koordinationsbedarf sorgten seit den 1990er Jahren
für eine zunehmende Pluralisierung der potentiellen Interessenskoalitionen.
Zwischen Ende der 1970er Jahre und Anfang der 2000er Jahre ist eine deutliche
Abnahme der autoritären Staatsvorstellungen in Österreich beobachtbar (Rath-
kolb, 2011). Damit einher geht ein wachsendes demokratisches Potential, einer-
seits durch Protestbewegungen von unten initiiert, andererseits unter Bundes-
kanzler Bruno Kreisky durch öffentliche politische Diskussionen etwa der Ju-
gendorganisationen der Parteien von oben initiiert (Rathkolb, 2008: S. 15). Im
kulturellen Bereich wird dies durch einen wachsenden Organisationsgrad der Zi-
vilgesellschaft seit den 1970er und 1980er Jahren – als Kulturvereine, Interes-
sensgemeinschaften (IGs), Berufsvereinigungen (BV), Initiativen – manifest
(Wimmer, 2011: S. 81). Diese selbstorganisierten Gruppen (etwa die IG Kultur,
die IG Freie Theaterarbeit, die BV Bildende Künstler) leisten Servicefunktionen
für ihre Mitglieder und vertreten als Lobbyisten deren Interessen, vor allem auf
Bundes- und Länderebene. Eines ihrer Werkzeuge zur Einflussnahme auf die in-
stitutionalisierte Meinungs- und Willensbildung ist die öffentlich geäußerte Kri-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293