Page - 105 - in Cultural Governance in Österreich - Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
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Lokale Situierung | 105
„In der Praxis folgt die politische Willensbildung und Entscheidungsfindung häufig einem
komplizierten Aushandlungsprozess zwischen lokalen parlamentarischen, exekutiven und
administrativen Eliten, in den häufig örtliche Interessengruppen, unter anderem auch
Bürgerinitiativen, und überörtliche Instanzen einbezogen sind. Nicht selten fallen grundle-
gende Richtungsentscheidungen überhaupt außerhalb der formalen kommunalen Organe.
Dafür, dass der Gemeinderat die Gemeindepolitik steuert bzw. effektiv kontrolliert, gibt es
wenig Anhaltspunkte. Vielmehr dürften Gemeindevorstände, BürgermeisterInnen und die
LeiterInnen des Gemeindeamts die kommunale Willensbildung und Entscheidungsfindung
dominieren. Die primäre Funktion des Gemeinderats besteht darin, den Entscheidungsakt
formell abzuschließen, wobei er sich auf Beschlussvorlagen stützt, die die Gemeindever-
waltung vorlegt.“ (Fallend u.a., 2001: S. 54)
6) Kulturpolitische Relevanz: Schließlich sind Städte von besonderer Bedeu-
tung für die Kulturpolitik. Einerseits bietet die Kulturpolitik ein Konkur-
renzfeld, auf dem Städte miteinander in Wettbewerb treten. Äußere Gründe
für diesen Profilierungsdruck liegen in der „Bedeutung von Kultur für eine
Stadt“ (Lefenda, 2009: S. 67) im Hinblick auf die ökonomische Wertschöp-
fung (insbesondere im Hinblick auf Tourismus). Neben dieser Außenprofi-
lierung stellt sich die Frage, wie Kulturpolitik nach innen – im Hinblick auf
die BewohnerInnen der Stadt – konzipiert und umgesetzt wird. Der Fokus
der empirischen Forschung innerhalb dieser Studie richtet sich auf die kom-
munale Kulturpolitik bzw. auf Städte in Österreich. Die kommunale Kultur-
politik und -verwaltung wurde in Österreich bislang vergleichsweise wenig
untersucht (eine Ausnahme und damit für die vorliegende Forschung wich-
tige Referenz bietet der Politikwissenschaftler Johann Lefenda, der in seiner
Analyse von ‚urban politics‘ nicht nur die Bedeutung von Kulturpolitik für
Städte hervorhebt, sondern auch die Perspektive der Governance einbringt
(Lefenda, 2009)), obwohl die Bedeutung der Städte in der Kulturfinanzie-
rung steigt. Zwischen 2012 und 2013 hat sich der kommunale Anteil um
5,1 % erhöht (Ratzenböck u.a., 2016: S. 42). Knapp 40 % der öffentlichen
Kulturfinanzierung werden in Österreich von Städten und Gemeinden be-
reitgestellt (Zembylas, 2017c: S. 150). Die Stadt kann über ihre politischen
EntscheidungsträgerInnen und Institutionen Kultur fördern und indirekt
„Kultur durch Bau und Betrieb von Einrichtungen und Infrastruktur im wei-
teren Sinn bzw. in der Vernetzung von beteiligten Akteuren subventionie-
ren“ (Lefenda, 2009: S. 110). In Österreich sind in Städten mit eigenem Sta-
tut (Landeshauptstädten und Städte mit über 20.000 EinwohnerInnen) eige-
ne Kulturämter im Rahmen der Magistrate mit der Verwaltung von Kunst-
und Kulturagenden befasst. Die LeiterInnen der Kulturämter agieren im
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293