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114 | Cultural Governance in Österreich
der Tradition des Symbolischen Interaktionismus um eine „sukzessive Abfolge
mehr oder weniger impliziter, unbewusster und mitunter auch expliziter Justie-
rungen von Zeichen in Interaktionsprozessen. [...] Dies muss nicht notwendig
sprachlich vermittelt sein, sondern kann über Körperausdruck, Gesten u.a. erfol-
gen“ (Keller, 2012: S. 115-116).
Soziale Welten werden als Konzepte des Symbolischen Interaktionismus
durch AkteurInnen über ihre Zugehörigkeit bzw. Verpflichtung gegenüber einem
Kollektiv gebildet. Hingegen sind bei Boltanski und Thévenot mit Welten keine
(menschlichen) Akteurskollektive gemeint, sondern „Arrangements von Objek-
ten“ (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 290), die als Rechtfertigungsordnungen
Spielräume menschlichen Handelns in den jeweiligen Situationen (ibd., S. 291)
eröffnen oder verschließen. Anders gesagt: Welten ermöglichen Prüfungen (ist
das Handeln/das Argument legitim, erzeugt bzw. löst es einen Konflikt?).
Die Kombination der interpretativen Policy-Analyse und der Situationsanalyse,
richtet die Aufmerksamkeit sowohl auf explizite Rechtfertigungslogiken (deduk-
tives Vorgehen anhand der von Boltanski und Thévenot herausgearbeiteten Wel-
ten mit ihren jeweiligen Kategorien und Prinzipien) als auch auf implizitere
Formen der Aushandlung (induktives Vorgehen anhand der von Adele Clarke
entwickelten Methoden der Situationsanalyse, Sozialen Welten und Arenen-
Analyse). Ziel ist eine dichte Beschreibung konkreter Cultural-Governance-
Situationen bzw. eine Analyse kooperativen Handelns (Lefenda, 2009: S. 269).
Durch die Kombination können sowohl explizite, als Argumente und Rechtferti-
gungen geäußerte politics, als auch implizite, sich in den Beziehungen zwischen
AkteurInnen manifestierende micropolitics, die die Aushandlungsprozesse mit
beeinflussen können, analysiert werden. Die ‚black box‘ der Cultural Gover-
nance kann – zumindest für Aha-Momente – geöffnet werden. Bereits mehrfach
erwähnt, soll im folgenden Kapitel die Situation als zentrales Konzept der Situa-
tionsanalyse nach Adele Clarke genauer dargestellt werden.
5.2.1 Situationsanalytische Erweiterung der interpretativen
Policy-Analyse
Eine methodische Basis für die Analyse komplexer Interaktionsprozesse zwi-
schen menschlichen, nichtmenschlichen, diskursiven und anderen möglichen
Elementen, wie sie in der konkreten Situation vorgefunden werden, bietet die Si-
tuationsanalyse nach Adele Clarke. Sie plädiert dafür, in der Situation sowohl
die Möglichkeitsbedingungen nach Foucault als auch die Aushandlungen selbst
(Handlungen, Diskurse, Praktiken) nach Strauss zu analysieren (Clarke, 2012:
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293