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128 | Cultural Governance in Österreich
„Angemessen sind bescheidene und partiale, jedoch ernsthafte, nützliche und hoffentlich
provokative Grounded-Theory-Analysen, sensibilisierende Konzepte, Analytik und Theo-
riebildung. Im Gegensatz zur Theorie setzt die Analytik keinen transzendenten Ursprung
oder Anstoß der Phänomene voraus. [...] Anstatt uns auf Gemeinsamkeiten zu konzentrie-
ren, können wir zudem Richtungen und Blickwinkel verfolgen, welche die Verschieden-
heit(en) und Komplexität sowie heterogene Positionierung – unter anderem Machtunter-
schiede in Situationen – offenbaren.“ (Clarke, 2012: S. 73)
Ziel der Situationsanalyse ist eine dichte Analyse (eine Referenz an den Ethno-
logen Clifford Geertz, der den Begriff der „dichten Beschreibung“ für die viel-
schichtigen Interpretationsmöglichkeiten von beobachteten Situationen geprägt
hat). Die qualitative Sozialforscherin Janine Evers verwendet den Begriff der
„dichten Analyse“ für die absichtliche und kreative Kombination unterschiedli-
cher Analysemethoden (Evers, 2016). Adele Clarke betont, dass Ergebnisse aus
Situationsanalysen nicht als generalisierbar, theoretisch abstrahierbar bzw. for-
malisierbar und transzendent mit dem Anspruch der Vorhersagbarkeit dargestellt
werden (Clarke, 2012: S. 73). (Hier liegt ein weiterer Unterschied zu Typisie-
rungen und Fallanalyse, siehe dazu spezifisch Kapitel 5.4.) Dies beinhaltet den-
noch die Möglichkeit, Vergleiche zwischen verwandten Situationen zu ziehen
und die analytische Theoriebildung auszuweiten (ibd., S. 73). In der Folge wird
es darum gehen, kulturpolitische Aushandlungssituationen in zwei Städten zu
vergleichen, um die Analyse und damit die Erkenntnisse zu verdichten.
Forschungsperspektiven sind partiell, ortsgebunden und situiert (Haraway, 2008:
S. 348). Objektivität ist daher nicht transzendent bzw. auf einer Trennung zwi-
schen Subjekt und Objekt basierend (ibd.). Als Forscherin bin ich folglich gefor-
dert, meine eigene Position und begrenzte Perspektive zu reflektieren. Meine Po-
sition wird durch soziokulturelle Attribute wie die Hautfarbe (weiß), das soziale
Geschlecht (weiblich), das Alter (Mitte dreißig), die soziale Herkunft, den aktu-
ellen Status (Doktorandin) beeinflusst und impliziert keine stabile und neutrale
Verortung, sondern ist selbst innerhalb eines dynamischen Beziehungsnetzwerks
unscharf, in dem und durch das ich sehe und gesehen werde – von den jeweili-
gen Gegenübern im Interview, von den BetreuerInnen der Doktorarbeit, von
KollegInnen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Aktuelle Diskurse
zu meinem Forschungsthema werden kontinuierlich mitkonstituiert und verän-
dert. Das, was in dieser Studie als Ergebnis in Textform repräsentiert wird, ist
das Ergebnis von Praktiken des Forschens, Analysierens und Interpretierens, die
über meine eingenommene begrenzte Perspektive vermittelt werden.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293