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152 | Cultural Governance in Österreich
Jede Soziale Welt hat per Definition eine Bedeutungsproduktionssphäre so-
wie eine Sphäre der Produktion von weltimmantenen Handlungen/Praktiken. Die
pragmatische Philosophie bildet eine Brücke zwischen Clarke und Boltanski/
Thévenot im Bezug auf die Handlungssituation, die Phänomenologie des Han-
delns und die Urteilsfähigkeit beim Handeln (Diaz-Bone, Thévenot, 2010:
Abs. 3). Clarke betont eher die Phänomenologie des Handelns, Boltanski und
Thévenot eher die Urteilsfähigkeit beim Handeln. Durch die Analyse Sozialer
Welten und Rechtfertigungsordnungen in der argumentativen Auseinanderset-
zung in Arenen werden sowohl die Entscheidungsrationalitäten als auch lebens-
weltliche bzw. praktische, symbolisch-materielle Komponenten in Entschei-
dungsprozessen analysierbar. Einerseits können „Elemente der rationalen Ent-
scheidung und der instrumentell effizienten Abwägung technischen Wissens“
(McCarthy, 1989: S. 43) und durch konsensuelle Normen gebundenes strategi-
sches Handeln als kalkulierte Verfolgung individueller Interessen untersucht
werden, andererseits auch gegenseitiges Verstehen und Reziprozität (ibd.) als ge-
teilte Handlungsverpflichtungen (‚commitments‘) ebenfalls Gegenstand der
Analyse sein.
Der in der vorliegenden Analyse gewählte Ansatz geht somit davon aus, dass
die AkteurInnen in Sozialen Welten bzw. Diskursuniversen nach Strauss und
Clarke in Aushandlungsprozessen situativ auf unterschiedliche, oft gleichzeitig
präsente Rechtfertigungsordnungen (sechs Welten nach Boltanski und Thévenot)
Bezug nehmen. Die Einbindung in ein Kollektiv (als Soziale Welt) determiniert
das Handeln nicht vollständig, auch das Arrangement der jeweiligen Arena lässt
Spielräume für Kritik bzw. für Anders-Handeln (durch Urteilsfähigkeit) zu.
5.5.3 Analytische Entscheidungsfindung: Welche ‚Geschichte‘
soll erzählt werden?
Situations-Maps und Maps Sozialer Welten und Arenen dienten mir in unter-
schiedlichen Phasen meiner Forschung zur Fokussierung auf bestimmte Konstel-
lationen zwischen AkteurInnen und anderen Elementen in kulturpolitischen Ent-
scheidungsfindungsprozessen, so wie ich sie im Datenmaterial vorgefunden ha-
be. Erste, provisorische Mappings dienten dazu, mir einen provisorischen Über-
blick über die Arena der Cultural Governance bzw. der kulturpolitischen Ent-
scheidungsfindung zu ermöglichen. Als analytische Übungen waren diese Map-
pings experimentell.
In den Arbeitsversionen habe ich mit unterschiedlichen Größen der Sozialen
Welten (die je nach analytischem Fokus gedehnt oder geschrumpft werden kön-
nen), verschiedenen Positionen, verschiedenen Grenzziehungen (Breite der ge-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293