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162 | Cultural Governance in Österreich
kommunikativen Handlungen (Argumente) der jeweils sprechenden AkteurInnen
integriert. Das bedeutet, dass der konkrete Forschungsgegenstand – die Verhand-
lung der generellen zehnprozentigen Kürzungen aller nicht gebundenen Subven-
tionen – als Situation retrospektiv und aus verschiedenen Sichtweisen und Posi-
tionen (der Forscherin, einiger Beteiligter) partiell rekonstruierbar wird.
Situationen materialisieren sich in kommunikativen Handlungen (Habermas,
1981, 1995) („wir generieren routinemäßig die Bedeutung der – menschlichen,
nicht-menschlichen, hybriden – materiellen Welt; wir tun dies zugleich innerhalb
und mit Hilfe dieser Welt, als verkörperte Bestandteile von ihr“ (Clarke, 2012:
S. 49)). In der Analyse setze ich die AkteurInnen und Elemente der Situation
miteinander in Beziehung. Parallel analysiere ich ihre kommunikativen Hand-
lungen unter Bezugnahme auf die Rechtfertigungsordnungen (sechs Welten)
nach Boltanski und Thévenot. Dabei nehme ich auch auf die Kritik der sechs
Welten aneinander und deren Beschwichtigung (über Kompromisse zwischen
den Welten) Bezug. Auf Basis dieses Vergleichsrasters können sowohl die Be-
ziehungen zwischen den AkteurInnen und Elementen in der Situation und ihre
Bezugnahme auf sprachlich bzw. argumentativ vermittelte Kategorien der Recht-
fertigung analysiert und interpretiert werden.
Die hier analysierte konkrete Entscheidungssituation ist als Gemeinderatssitzung
gerahmt. BürgerInnen können anwesend sein, haben aber kein Mitsprache- oder
Stimmrecht. Die Rolle des Gemeinderats bei der Steuerung und Kontrolle wird
als eher gering eingeschätzt. Vielmehr stellt er eine Arena dar, in der zuvor vor-
bereitete (und informell getroffene) Entscheidungen ritualisiert vorgestellt, ver-
teidigt und formell abgeschlossen werden (Fallend u.a., 2001: S. 54). Die Proto-
kolle der Gemeinderatssitzungen bieten BürgerInnen (und ForscherInnen) die
Möglichkeit, diesen Akt retrospektiv nachzuvollziehen. Auf den ersten Blick
scheinen Gemeinderatsprotokolle daher weniger geeignet für eine Analyse von
Governance, insbesondere deliberativer Governance als öffentliche, gemeinsame
Verhandlung von bestmöglichen Lösungen. Dennoch sind sie jene Dokumente,
in denen sich öffentlich manifestiert, was zuvor im Informellen, Geheimen ver-
handelt wurde – sie bieten somit einen Schlüssel zur ‚realen‘ Governance (also
Realpolitik) der Steuerung der Entscheidung(svorbereitung) hinter den Kulissen.
Die kommunikativen Handlungen im Rahmen der im Gemeinderat vorgetrage-
nen Argumentationen erscheinen grundsätzlich hybrid: einerseits als strategische
Sprechhandlungen (Habermas, 1981) mit einem rhetorischen Charakter ausge-
stattet und einer persuasiven Handlungsorientierung folgend. Dabei werden auch
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293