Page - 214 - in Cultural Governance in Österreich - Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
Image of the Page - 214 -
Text of the Page - 214 -
214 | Cultural Governance in Österreich
schen der Freien Szene als Kollektiv und den politischen AkteurInnen (und dem
Stadtkulturbeirat), die keine klare Begründung formulieren, warum die freie
Szene mit öffentlichem Geld gefördert werden soll. Geht es um eine Investition
in der Welt des Marktes? Geht es um eine soziale Unterstützung von Bedürfti-
gen? Geht es um eine Förderung für den Dienst am Gemeinwohl?
Warum bekommt die Freie Szene im Vergleich zu den ebenfalls von den Kür-
zungen betroffenen Sportvereinen in der Auseinandersetzung politisch eine so
hohe Aufmerksamkeit? Zum einen durch den Stadtkulturbeirat, der sich, ad per-
sonam, durch den Sprecher und durch einen offenen Brief (als Medium, das so-
wohl an die politisch Verantwortlichen als auch an die Öffentlichkeit adressiert
ist) als solidarischer Fürsprecher positioniert. Das Instrument des offenen Briefs
wird gewählt, da der Stadtkulturbeirat in die der offiziellen Entscheidung im
Gemeinderat vorausgehenden Verhandlungen nicht involviert war (sein Rat
wurde nicht gesucht, da von politischer Seite Kritik an der Entscheidung antizi-
piert wurde). Da der Stadtkulturbeirat aber über die entsprechenden Informatio-
nen durch Austausch in den Gremien und informellen Austausch mit Politik und
Verwaltung verfügt, sieht er sich zum Eingreifen veranlasst. Dabei wird ein am-
bivalentes Bild der freien Szene zwischen Prekarität und unmittelbarer Existenz-
bedrohung einzelner Initiativen und Individuen und umfassender wirtschaftlicher
und sozialer Bedeutung der Freien Szene insgesamt in der „Kulturstadt“ und
„Lebensstadt“ gezeichnet. Durch diese Positionierung zwischen Hybris und De-
bris wird das Bild der Freien Szene noch unklarer.
Im Unterschied zu den politisch Verantwortlichen, die um das Entscheidungs-
prozedere streiten, richtet sich der Protest der Freien Szene auf die Zielsetzungen
bzw. die Folgen für die Betroffenen und das Gemeinwesen in der Stadt. Diese
möglichen Folgen werden im Protestbrief rhetorisch übersteigert und dramati-
siert, was die Dringlichkeit des Förderungsbedarfs unterstreicht. Auf diese Weise
werden die Betroffenen aber auch nicht als Verhandlungspartner positioniert, um
einen deliberativen Entscheidungsprozess mit gleichen Verfahrensbedingungen
zu fordern. Implizit wird somit der paternalistische und autoritäre Verteilungsge-
stus qua Expertise, Eigentum und Verantwortung der Stadtregierung akzeptiert
bzw. prolongiert.
Durch ihre MitarbeiterInnen verfügen Kulturvereine und -initiativen über kom-
munikative und rhetorische Fähigkeiten, die es ermöglichen, ihre Kritik in unter-
schiedlichen Kanälen (z.B. Blogs (Diesenreiter, Stadtkulturbeirat Linz, 2014)
und „zahlreiche E-Mails“ an die Fraktionen (Gemeinderat der Stadt Linz, 2014))
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293