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216 | Cultural Governance in Österreich
Die acht Kultureinrichtungen, die im Zentrum der Entscheidung standen, sind
nicht so indifferent wie 163 einzelne FörderwerberInnen, sondern in der Stadt
und darüber hinaus bekannt (es handelt sich um Camera Austria, Forum am
Stadtpark, Diagonale, Grazer Kunstverein, Kulturvermittlung Steiermark, La
Strada, Styriarte und das Theater am Bahnhof). Durch ihre Bekanntheit, wirt-
schaftliche Bedeutung und ihre Verbindung mit dem Land Steiermark haben sie
auch politisch eine andere Bedeutung und erreichten damit auf Ebene der Stadt-
politik eine Anerkennung, die über den Gestus der paternalistischen Fürsorge
hinausgeht.
Zurückkommend auf Linz ist festzuhalten, dass der mit hohem Aufwand unter
Vermittlung der Verwaltung zwischen Politik und zivilgesellschaftlichen Akteu-
rInnen hergestellte Konsens, der sich im Kulturentwicklungsplan manifestiert,
durch die politisch-autoritäre Entscheidung ohne Rücksprache mit den Beteilig-
ten gebrochen wird. Auch die Diskussion, der sich der Kulturreferent mit der
freien Szene stellt, erscheint eher als symbolischer Versuch der Selbstlegitimati-
on denn als gemeinsame Suche nach Alternativen. In seiner Rede positioniert er
sich als „parteipolitisch unverdächtig“ und damit in Distanz zur Freien Szene,
die er nicht als AnhängerInnen seiner Partei ÖVP betrachtet. Er handelt somit als
Kulturstadtrat eher pflichtschuldig seiner Aufgabe gegenüber denn aus genuinem
Interesse, auch wird ein routinisiert ausgetragener parteipolitischer Machtkampf
statt einer Auseinandersetzung um die Sache deutlich.
Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich die Kulturschaffenden frustriert
von politischen Prozessen zeigen: Einerseits werden ihre zeitlichen Ressourcen
und Ideen nachgefragt, die sie für das Gemeinwohl im Sinne der Kulturentwick-
lungsplanung investieren. Andererseits werden sie, wenn es um budgetäre As-
pekte geht, weder in den Beratungen eingebunden, noch können sie sich auf ihr
Recht berufen oder Einspruch erheben, da die Kultursubvention eine freiwillige
Leistung und privatrechtlich geregelt ist. Es bleibt nur der öffentliche und private
bzw. informelle Protest, der nicht gänzlich wirkungslos ist, da er von Mandata-
rInnen der Parteien argumentativ aufgegriffen wird, aber an der Entscheidung
selbst nichts ändert.
Zusammenfassend lässt sich anhand einer einfachen Häufigkeitszählung der
Rechtfertigungsprinzipien, die sich in den kommunikativen Sprechhandlungen in
der analysierten Situation zur Kürzung der nicht gebundenen Subventionen in
Linz manifestieren, darstellen: Es überwiegen Prinzipien aus der staatsbürgerli-
chen Welt (64) und der industriellen Welt (53). Die AkteurInnen bewegen sich
mit ihren Argumentationen vorwiegend in der Sphäre des staatsbürgerlich-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293