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Ergebnisse der Analyse | 229
Meister, dem sich die BürgerInnen unterordnen), der staatsbürgerlichen Welt
(der Vorsitz im Gemeinderat und im Gemeindevorstand) und der industriellen
Welt (Chefs der Gemeindeadministration) wird hier über gesetzliche Formen
(Kommunalverfassung) stabilisiert (Fallend u.a., 2001: S. 56).
Die Kulturstadträtin positionierte sich aktiv gegen etablierte paternalistische
Strukturen und Kumpanei (Kritik der staatsbürgerlichen Welt an der häuslichen
Welt (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 336-339)), als sie drohte, in der ersten Ver-
handlungsphase 2013 um die Fortsetzung der Zweijahresförderung für freie Kul-
turorganisationen den Vertrag des designierten Holding-Chefs, eines von der
ÖVP präferierten Kandidaten, nicht zu unterschreiben.
2014 setzte sie sich gegen eine unverhandelte Fortschreibung der Förderung
für große Kulturinstitutionen ein, die die Stadt anteilig besitzt. Durch die Kritik
wird eine öffentliche Verhandlung eingefordert. Der Autoritarismus sowie das
unternehmerische Denken und Handeln mancher politischer Entscheidungsträge-
rInnen, das über Werte wie das Interesse der Stadt und ihren Besitz (Kategorien
der Welt des Marktes (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 264ff.)) legitimiert wird,
wird offensiv in Frage gestellt (ORF Steiermark, 2014). Vom Finanzstadtrat der
ÖVP wird dieses Verhalten medial als „Aufplustern“ bezeichnet (ORF Steier-
mark, 2014) – eine typische rhetorische Strategie, Frauen zu entwerten, in die
häusliche Welt zu verweisen und ihnen die Legitimität ihrer Kritik in der staats-
bürgerlichen Welt abzuerkennen (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 241). Die Be-
zeichnung als „Soziale Welt der PolitikerInnen“ ist in dieser Untersuchung somit
auch normativ, da sie Gleichheit impliziert – diese Gleichheit ist aber realpoli-
tisch nicht gegeben.
Wie steht die Welt der PolitikerInnen zu Fragen der Partizipation von Bürge-
rInnen in der kulturpolitischen Arena? Die von den PolitikwissenschaftlerInnen
Martina Handler und Florian Walter diagnostizierte Partizipationsskepsis
(Handler, Walter, 2014) manifestiert sich auch in den beobachteten und analy-
sierten Städten Linz und Graz – und zwar unabhängig von der parteipolitischen
Zugehörigkeit der dominanten PolitikerInnen. Einerseits erkennen PolitikerIn-
nen, dass „Anliegen, die bei Diskussionsveranstaltungen von Betroffenen öffent-
lich gemacht worden sind, durchaus einfacher einer Lösung zugeführt werden
können, als Dinge, die nur zwischen Zuständigen hin- und herlaufen“ (POLI).
Die Offenbarung in der Welt der Meinung und die Mobilisierung durch die Be-
troffenen als Kategorie der staatsbürgerlichen Welt können also zu effizienteren
Lösungen (Relationen in der industriellen Welt (Boltanski, Thévenot, 2014:
S. 437)) führen. Andererseits betont ein/e PolitikerIn (POG), dass die Arbeit der
PolitikerInnen sich genau dadurch auszeichnet, dass sie einem komplexen und
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293