Page - 257 - in Cultural Governance in Österreich - Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
Image of the Page - 257 -
Text of the Page - 257 -
Ergebnisse der Analyse | 257
Das Kulturkuratorium des Landes Steiermark bildet mit seiner Kopplung von
Beratungsaufgaben und der Bereitstellung von Förderungsempfehlungen eine
Ausnahme. In der Regel werden diese Funktionen – wie das Beispiel zeigt, aus
guten Gründen – unterschiedlichen Gremien zugeteilt. Die auf städtischer Ebene,
Landesebene und Bundesebene existierenden Fachbeiräte bzw. Jurys handeln
auf der Basis von verwaltungsrechtlichen Bestimmungen sowie spezifischen
Förderrichtlinien.
„Aufgrund des für die öffentliche Verwaltung geltenden Sachlichkeitsgebots und Willkür-
verbots (Zembylas, 2006a) begründen sie ihre Entscheidung oft mit expliziter Bezugnah-
me auf ausdifferenzierte kunstimmanente, wirtschaftlich-managerielle, soziale sowie kul-
turpolitische Kriterien“ (Zembylas, 2017b: S. 7).
Die Wertgrenze für die Hinzuziehung eines Fachbeirats bzw. einer Jury zur Vor-
bereitung von Förderentscheidungen ist unterschiedlich. In Graz wird ein Fach-
beirat ab 1.500 Euro hinzugezogen (bis zu dieser Grenze bereitet die Verwaltung
die Entscheidung für den Kulturstadtrat/die Kulturstadträtin vor).
Der ExpertInnenstatus der Mitglieder sowie die Legitimation anhand von
Förderrichtlinen (Subjekte und Prüfkriterien der industriellen Welt (Boltanski,
Thévenot, 2014: S. 279-280)) dient auch dazu, die öffentliche Akzeptanz der
Förderentscheidungen zu erhöhen – ungeachtet dessen, ob diese beabsichtigte
Wirkung bei den FörderempfängerInnen eintritt. Auch hier richtet sich die Kritik
der von den Entscheidungen Betroffenen auf das Verfahren, dessen mangelnde
Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Zwar haben FörderempfängerInnen ein
Bild davon, wie ein Fachbeirat arbeitet, der Sitzungsakt findet jedoch nicht öf-
fentlich statt. In Anbetracht des Arbeitsaufwands, der mit der Erstellung eines
Antrags verbunden ist, vom Entwickeln einer innovativen Idee, der Darstellung
der Umsetzbarkeit über die Argumentation eines Bezugs zur Stadt(gesellschaft)
bis hin zur Ausarbeitung von Text und Finanzierungsplan, und in Anbetracht der
Hoffnungen und Erwartungen, die damit verbunden sind, wird die Intransparenz
und das Schweigen der Fachbeiräte zu Förderempfehlungen als ungerechtes
Machtgefälle und Abhängigkeitsverhältnis gedeutet.
Dies fällt mitunter auf den Kulturbereich zurück, denn geförderte Einrich-
tungen und Personen geraten so in Verdacht, aufgrund von Loyalitäten oder in-
dividuellen Präferenzen der Fachbeiratsmitglieder (Zembylas, 2017b: S. 7) oder
aufgrund von Traditionen („der hat immer schon was gekriegt“ (KBG1)) und
nicht aufgrund ihrer anhand von Kriterien beurteilten Antragsqualität gefördert
zu werden. Insofern tragen intransparente Förderentscheidungen auch dazu bei,
dass Gerüchte als Urteile der Meinung (Boltanski, Thévenot, 2014: S. 252) ent-
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293