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260 | Cultural Governance in Österreich
ves, experimentelles und internationales Kulturschaffen zu fördern. In Graz ist
das Senioritätsprinzip „implizit wirksam“ (Zembylas, Alton, 2011: S. 72). Ver-
gleichbares kann für Linz (wenn auch ohne eine systematische Evaluation) ver-
mutet werden: öffentliche Förderungen werden seit den 1980/1990er Jahren (ei-
ner Zeit der steigenden Kulturbudgets) ohne systematische Evaluierung und oh-
ne Zielvorgaben an dieselben Kulturorganisationen vergeben.
Wie am Beispiel des steirischen Kulturkuratoriums gezeigt wurde, ist die Vermi-
schung von beratenden Tätigkeiten und fachlicher Entscheidungsvorbereitung
konfliktträchtig. In der Regel sind daher Fachbeiräten bzw. Jurys, die als Exper-
tInnen für einen künstlerischen bzw. kulturellen Bereich eine entscheidungsvor-
bereitende Rolle in der Kulturförderungsvergabe haben, von breiter verankerten
Kultur- oder Stadtkulturbeiräten unabhängig (auch wenn es einzelne personelle
Überschneidungen gibt). In der Folge werden diese beratenden Gremien am Bei-
spiel des Grazer Kulturbeirats und des Linzer Stadtkulturbeirats als Subwelten
der Sozialen Welt der Beiräte genauer analysiert.
Laut Geschäftsordnung ist der Kulturbeirat Graz ein Beratungsorgan, das den
Kulturstadtrat/die Kulturstadträtin berät. Die Mitglieder der Beiräte werden von
dem oder der amtierenden KulturstadträtIn berufen. Der Stadtkulturbeirat in Linz
ist ebenso wie der Grazer Kulturbeirat ein reines Beratungsgremium, richtet sei-
ne Beratungstätigkeit allerdings an die Stadtregierung und ist durch einen Vor-
schlags- und Auswahlprozess, in den die Kulturverwaltung und der Kulturaus-
schuss des Gemeinderats involviert sind, etwas breiter verankert. Bei der Aus-
wahl der Mitglieder nach einem öffentlichen Aufruf, KandidatInnen vorzuschla-
gen, wurde bei der Auswahl des Linzer Stadtkulturbeirats durch Verwaltung und
Politik darauf geachtet, das Gremium möglichst paritätisch im Hinblick auf
Gender, künstlerische/kulturelle Sparten und RepräsentantInnen der Freien Sze-
ne sowie der kommunalen Kulturbetriebe zu besetzen. Dabei wirken auch par-
teipolitische Interessen über Jahre hinweg als etablierte Gewohnheiten. So wird
berichtet, dass das Beiratsmitglied aus dem Tourismusbereich „über ein ÖVP-
Ticket“ (KBLI) in den Beirat geholt werde. Auch in Graz bemühen sich die Kul-
turstadträtInnen darum, das Gremium paritätisch besetzen und informelle „Quo-
ten“ (KBG) von Alter, Geschlecht, Herkunft und angenommener politischer Lo-
yalität anzusetzen. Über diese Steuerungsmechanismen sichern sich die Politike-
rInnen und Parteien Verbündete im (Stadt-)Kulturbeirat und Einfluss auf Berei-
che, die für die Wählerklientel und die programmatische Ausrichtung wichtig
sind. Im Linzer Modell ist diese politische Einflussnahme jedoch aufgrund des
breiteren Auswahlverfahrens und von Diskussionsprozessen zwischen Verwal-
tung, Kulturstadtrat und Kulturausschuss weniger massiv.
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293