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262 | Cultural Governance in Österreich
Kulturbeiräte sind als Soziale Welten auch von divergierenden Kräften geprägt.
Tendenzen zu Individualismus bzw. Einzelgängertum (Clarke, 2012: S. 151)
müssen in der Sozialen Welt der Beiräte unter Aufwand integriert werden, da die
AkteurInnen der Sozialen Welt zusätzlich zu ihrer Einbindung in Beiräte in ver-
schiedenen anderen Sozialen Welten – ihre jeweiligen beruflichen Verpflichtun-
gen als Haupttätigkeiten sowie andere ehrenamtliche Verpflichtungen wie die
Mitgliedschaft in anderen Gremien und Vereinen – stark eingebunden sind. Da-
mit verbunden sind knappe zeitliche Ressourcen für ein ehrenamtliches Enga-
gement für das Gemeinwesen im Kulturbeirat. Der integrierende Aufwand für
die Beiräte wird von offiziellen (z.B. SprecherInnen oder Vorsitzende) und inof-
fiziellen Führungspersonen innerhalb der Beiräte geleistet, die dafür spezifische,
zielorientierte Kommunikationstechniken einsetzen und verbindende themati-
sche Inhalte (Schauplätze (Clarke, 2012: S. 151) bzw. topoi) wählen. Sie steuern
die Gremien darüber im Sinne von Kooperation und Effizienz:
„[...] dass man sehr starke Individualisten hat, die in ihrem Feld sehr kreativ sind und sehr
starke Menschen sind. Die Kunst ist, glaube ich auch, zu sehen, welche Formate man
ihnen öffnen und offenbaren muss, damit ihre Kreativität zum Einsatz kommt und dass
man die verschiedenen Individualisten auf ein Ziel richtet, so dass man an einem Strang
zieht. Natürlich ist es auch immer ein Zeitproblem, weil sie stark beschäftigt sind, die Mo-
tivation auch, so dass man halt die Themen und die Formate so wählt, dass die tatsächlich
– die Hauptproblematik bei so einer interdisziplinären Praxis ist ja immer, dass man zu
Ergebnissen kommt.“ (KBG)
Dennoch besteht laufend das Risiko, dass einzelne AkteurInnen die Soziale Welt
der Beiräte verlassen, da die ehrenamtliche Arbeit mit Erwartungen hinsichtlich
der Wirkungen verbunden ist, die oft nicht eintreten bzw. nicht in der erwünsch-
ten Geschwindigkeit eintreten. Hier wird auch eine Unzufriedenheit mit den Ver-
fahren deutlich, etwa mit einer mangelnden kontinuierlichen Gesprächsbasis mit
den politisch Verantwortlichen oder wahrgenommenes Desinteresse (d.h. keine
Reaktionsbereitschaft) gegenüber den von den Beiräten erarbeiteten Anliegen
(„de facto interessiert sich die Kulturpolitik nicht für den Stadtkulturbeirat, also
die Politik selbst nicht“, KBLI).
Die häufigen Wechsel der KulturstadträtInnen in Graz und die daraus resultie-
rende thematische Diskontinuität, da der oder die jeweils politisch Verantwortli-
che sich aufgrund der unterschiedlichen Parteizugehörigkeit oder aufgrund per-
sönlicher Schwerpunkte von VorgängerInnen distanzieren wollte (Opportunis-
mus, auf Abstand gehen als Investition in der Welt des Marktes, (Boltanski,
Cultural Governance in Österreich
Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Title
- Cultural Governance in Österreich
- Subtitle
- Eine interpretative Policy-Analyse zu kulturpolitischen Entscheidungsprozessen in Linz und Graz
- Author
- Anke Simone Schad
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4621-8
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 322
- Keywords
- Political Science and International Studies, Kulturpolitik, Linz, Graz, Europäische Kulturhauptstadt, Demokratie, Cultural Governance, Österreich, Kultur, Kommunalpolitik, Politikwissenschaft, Politik
- Category
- Recht und Politik
Table of contents
- Abstract 7
- Gliederung des Buches 9
- 1 Prolog zu Cultural Governance: Doing Politics – Making Democracy? 11
- 2 Kultur, Öffentlichkeit und Politik: eine Annäherung 31
- 3 Theoretische Situierung von Cultural Governance 43
- 4 Lokale Situierung der Analyse in Österreich 87
- 5 Methodologische Situierung der Cultural-Governance-Analyse 109
- 5.1 Interpretative Policy-Analyse 109
- 5.2 Fokus auf die Situation 112
- 5.3 Positionierung, Perspektiven und Grenzen des Grounded Theorizing 126
- 5.4 Materialauswahl – der Unterschied zwischen der Fallanalyse und der Situationsanalyse 130
- 5.5 Situations-Mapping: AkteurInnen, Aktanten, weitere Elemente und ihre Wechselbeziehung 140
- 6 Ergebnisse der konkreten Situationsanalyse zur Verhandlung um Kulturförderung 155
- 7 Ergebnisse der Analyse Sozialer Welten in der Arena der Cultural Governance 219
- 7.1 Die Soziale Welt der städtischen Gemeinde 219
- 7.2 Die Soziale Welt der gewählten MandatarInnen (PolitikerInnen) 226
- 7.3 Die Soziale Welt der Kulturbetriebe in der Stadt 231
- 7.4 Die Soziale Welt der MitarbeiterInnen der städtischen Kulturverwaltung 242
- 7.5 Die Soziale Welt der Beiräte 254
- 7.6 Zusammenfassende Analyse der Sozialen Welten in der Arena der Cultural Governance 268
- 7.7 Normative Kriterien für Cultural Governance 271
- 8 Abschließendes Fazit 277
- 9 Anhang 283
- Literatur 293