Page - 25 - in Die vielsprachige Seele Kakaniens - Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Image of the Page - 25 -
Text of the Page - 25 -
Zweites Kapitel
K.(u.)k. »going postcolonial«
Als plurikultureller Raum war die Habsburgermonarchie in der Bewältigung
ihrer Kommunikationsprobleme vor enorme Herausforderungen gestellt. Die
komplexe ethnische Zusammensetzung ihrer Bevölkerung erforderte Verstän
digungsstrategien, die auch in der Spätphase der Monarchie nur in beschränk
tem Ausmaß auf institutionalisierter Ebene abliefen und in vielen Fällen durch
den üblicherweise ungeregelten und von den Obrigkeiten als selbstverständlich
erachteten Einsatz zwei und mehrsprachiger Personen gemeistert wurden. Au
ßerdem fühlten sich die einzelnen »Nationalitäten« der Monarchie untereinan
der in einem erstarkenden Konkurrenzverhältnis, das bestehende Kommunika
tionsordnungen auf den Prüfstand stellte und die Konstruktion von Selbst und
Fremdbildern vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stärker vo
rantrieb als in der Vergangenheit, ging es doch nun in erhöhtem Maß darum,
»wer das Wort ergreift, in welcher Sprache, wer an welcher Stelle sitzt, wer, wie
und wo politische Repräsentanz beanspruchen darf, welche kulturellen ›Rang
ordnungen‹ im Mit und Gegeneinander verschiedener Binnenzivilisationen
und Binnenkulturen bestehen« (Müller Funk 2002 : 19).
1. Die Verortung der »habsburgischen Kultur«
In Abkehr von verschiedenen k.(u.)k. Mythosbildungen und rückwärts gewand
ten Utopien scheint sich diesbezüglich in der einschlägigen Forschung der ver
gangenen Jahre eine Sicht von der Habsburgermonarchie herauszubilden, die
an das musilsche Kakanien Konzept anschließt2 und das Verhältnis von Herr
schaft und Kultur in den Blickpunkt der Analyse habsburgischer Geschehnisse
rückt. Dabei wird gleichsam von einer Pseudo Kolonialmacht der Habsburger
2 Vgl. Musil (1997 : 31ff.). Diese Forschungsansätze gehen in erster Linie von »Kakanien revisited«
aus, einem in Wien angesiedelten Vernetzungs Projekt, das sich als Plattform für interdisziplinäre
Forschung im Bereich Mittel Ost bzw. Zentraleuropa versteht (vgl. www.kakanien.ac.at sowie
Müller Funk/Plener/Ruthner [2002], Feichtinger/Prutsch/Csáky [2003] oder Müller Funk/
Wagner [2005]).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437