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222 Der »Nutzen fürs geistige Leben« : Übersetzungspolitik in der Habsburgermonarchie
Buchgewerbes insgesamt führte ; die Einrichtung lokaler Gremien diente, wie
sich zeigen sollte, mehr der Überwachung von staatlicher Seite als der ursprüng
lich intendierten Vertretung der Standesinteressen. Auch wenn so mancher – be
reits etablierte – Buchhändler diese Entwicklungen aus verständlichen Gründen
guthieß, hemmten diese Bestimmungen doch eine Ausweitung des Buchhandels
und trugen zur Verhinderung einer Eigenverantwortung des Buchsektors bei,
was letztendlich auch dem Ansinnen der Ordnung für Buchhändler und Antiquare
von 1806 entsprach (Bachleitner/Eybl/Fischer 2000 : 171f.).
Der zwar durch den Börsenkrach von 1873 empfindlich gebremste wirt
schaftliche Aufschwung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machte sich
sukzessive auch im Buchhandel bemerkbar, auch wenn man, wie Junker (1921 :
2) betont, besonders in Wien »nicht allzuviel Lust zur Großzügigkeit, nicht viel
Wagemut große Summen zu riskieren« zeigte. Die Situation auf dem Buchmarkt
war zusehends von marktwirtschaftlichen Kriterien geprägt, in deren Folge sich
auch verschiedene Fachrichtungen wie Unterhaltung, Medizin, Schulbuch u.a.
ausformen konnten. Weitere Impulse brachte schließlich die bereits erwähnte
Gewerbeordnung von 1859, die die restriktive Buchhändlerordnung zum Groß
teil außer Kraft setzte und damit die Entwicklungen auf dem Buchsektor der
staatlichen Einflussnahme wenn nicht zur Gänze entzog, so diese doch zuse
hends einschränkte. Für die Erteilung einer Konzession musste der Bewerber
oder die Bewerberin eine dem Betrieb angemessene Bildung aufweisen, und
es wurde fortan von den »Lokalverhältnissen« ausgegangen, die einen Bedarf
an Buchhandlungen rechtfertigen sollten ; insgesamt wurden nun Unterneh
mungsgründungen erleichtert, da der Buchhandel außerdem als eigenständiges
Gewerbe mit den Unterabteilungen Sortimentsbuchhandel und Verlagsbuch
handel anerkannt wurde (Hall 2000 : 185). Das Zusammenwirken dieser Maß
nahmen führte bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem rasanten Anstieg von
Buchhandlungen (allein in Wien ist ein Anstieg von 39 Buchhandlungen im
Jahr 1859 auf 115 im Jahr 1891 zu verzeichnen) und lässt die Behauptung zu,
dass sich die Branche in der angegebenen Periode weitgehend mit der wirt
schaftlichen Konjunktur bzw. der Nachfrage deckte.
2. Staatliche Kultur- und Literaturförderung
Wird Kultur (und damit auch zu weiten Teilen Übersetzungs )Politik vor
allem als staatliche oder auch als im weiteren Umfeld des Staates institutiona
lisierte Angelegenheit angesehen, so stellt sich die Frage nach ihrem Einfluss
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437