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26 K.(u.)k. »going postcolonial«
ausgegangen,3 die im Zuge ihres imperialistischen Verhaltens das »Andere« po
litisch beherrscht und ökonomisch unterdrückt. Es ist nicht zu leugnen, dass
diese symbolischen Formen ethnisch artikulierter Herrschaft starke Ähnlich
keiten mit überseeischen Kolonialmächten aufweisen.
Im Zuge dieser Überlegungen wurde wiederholt auf die Beschreibung und
konzeptuelle Erfassung postkolonialer Verhältnisse zurückgegriffen. In der Ein
führung zu ihrem Post-Colonial Studies Reader (1995) führen Ashcroft, Griffiths
und Tiffin näher aus, was sie unter Postkolonialismus verstehen : Zum einen ver
weisen sie auf die Fortführung asymmetrischer Machtverhältnisse zwischen den
involvierten Regionen auch nach der »Dekolonisierung« ; des Weiteren führen
sie die noch immer anhaltenden Folgen des Kolonisierungsprozesses ins Treffen,
darunter migratorische Bewegungen, öknomische Verflechtungen, Sprachge
meinschaften, und auch der Neokolonialismus im Zeitalter der Globalisierung
mit seinen ökonomischen, kulturellen und politisch militärischen Hegemonie
bezeugungen ist für die AutorInnen ein wichtiges Kennzeichen postkolonialer
Befindlichkeiten (Ashcroft/Griffiths/Tiffin 1995 : 2–4) – eine Anknüpfung an
habsburgische »Zustände« scheint also nicht nur auf den ersten Blick durchaus
möglich. In der Diskussion der Frage, inwieweit koloniale und postkoloniale
Erfahrungen für binnenkontinentale Verhältnisse relevant sein können, führt
uns Wolfgang Müller Funk eindringlich vor Augen, dass die Elemente, die für
die Bestimmung von Kolonialismus konstitutiv sind (auf Hannah Arendt rekur
rierend nennt er hier : systematische und gewaltvolle Landnahme, weitgehende
Rechtlosigkeit der verbliebenen ansässigen Bevölkerung, Import von Menschen
aus Europa, die die Kolonie politisch und ökonomisch beherrschen, Einführung
der eigenen Kultur, Ausbeutung des kolonialen Reichtums), bestimmter Ver
haltensweisen und kultureller Codes bedürfen, die das Handeln des kolonialen
Subjekts als selbstverständlich erscheinen lassen (Müller Funk 2005 : 254 ; vgl.
auch Müller Funk/Wagner 2005 : 11f.) :
Dazu gehören die Annahme der eigenen kulturellen Überlegenheit ebenso wie die
Auffassung, dass die Menschen der fremden Kultur unmündig sind und deshalb
durch die Kolonisatoren – zu deren eigenem Vorteil – vertreten werden müssen.
(Müller Funk 2005 : 254)
3 Vgl. dazu Musil : »Man ließ hie und da ein Schiff nach Südamerika oder Ostasien fahren ; aber
nicht zu oft. Man hatte keinen Weltwirtschafts und Weltmachtehrgeiz ; man saß im Mittelpunkt
Europas, wo die alten Weltachsen sich schneiden ; die Worte Kolonie und Übersee hörte man an
wie etwas noch gänzlich Unerprobtes und Fernes« (Musil 1997 : 33).
Die vielsprachige Seele Kakaniens
Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die vielsprachige Seele Kakaniens
- Subtitle
- Übersetzen und Dolmetschen in der Habsburgermonarchie 1848 bis 1918
- Author
- Michaela Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78829-4
- Size
- 15.5 x 23.5 cm
- Pages
- 442
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Dankesworte 11
- Einleitung 13
- Erstes Kapitel
- Zweites Kapitel
- Drittes Kapitel
- Viertes Kapitel
- Die translatorische Praxis in der »großartigen Versuchsstation« der Habsburgermonarchie 87
- »Habitualisiertes Übersetzen« 90
- »Institutionalisiertes Übersetzen« 103
- Kontakt zwischen Behörden und Parteien 120
- Dolmetschen und Übersetzen bei Gericht 128
- Die Übersetzung von Gesetzestexten 142
- Translationstätigkeit im Ministerium des Äußern und im
- Kriegsministerium 165
- Fünftes Kapitel
- Sechstes Kapitel
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- 1. Institutionalisierungstendenzen privater Übersetzung 202
- 2. Der private Übersetzungssektor als Schauplatz von
- Positionierungskämpfen 208
- »Prompt, zu jeder Tageszeit« : der private Übersetzungssektor 202
- Siebtes Kapitel
- Achtes Kapitel
- Neuntes Kapitel
- 4. Folgerungen aus der Rekonstruktion des »translatorischen
- Zehntes Kapitel
- Der Vielvölkerstaat als Interaktionsfeld von Übersetzungsleistungen – Schlussbetrachtungen 362
- Verzeichnis der in der Habsburgermonarchie erschienenen Übersetzungen Italienisch – Deutsch 1848–1918 378
- Verzeichnis der Tabellen, Grafiken und Abkürzungen 392
- Tabellen 392
- Grafiken 393
- Abkürzungen 393
- Literaturverzeichnis 394
- Quellen 394
- Sekundärliteratur 396
- Sachregister 434
- Personenregister 437